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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor
Autoren: dtv
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und Bewegungen waren sonst immer schnell und präzise, aber jetzt
     lag eine Unbeherrschtheit darin, die nur durch seine Wut gespeist war. Das Portemonnaie war leer, das Handy hatte keinen Saft.
     Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Schlüsselanhänger, eine Plastikkapsel von der Größe einer Fingerspitze. Er starrte
     ihn einen Moment an, dann hastete er zur Hecktür, öffnete sie in voller Fahrt, schleuderte die Schlüssel in die Dunkelheit
     und knallte die Tür wieder zu.
    »Was machst du da?«, fragte Carla. »Warum hast du sie weggeworfen?«
    Jørgensen klappte einen Sitz an der Wand herunter und ließ sich darauffallen. »Der Schlüsselanhänger war ein Peilsender.«
    »Was?«
    Jørgensen schloss die Augen und konzentrierte sich. Waren |17| die Amerikaner genauso an der Nase herumgeführt worden? Hatten die französischen Taucher die Tasche gefunden und ihren ursprünglichen
     Inhalt durch diesen Krimskrams ersetzt?
    In seiner Wut hämmerte Jørgensen gegen die Wand zur Fahrerkabine und schrie: »Tempo!«
     
    Der rote Punkt auf der elektronischen Karte war stehen geblieben. Drei Augenpaare starrten im Hauptquartier der Pariser Kriminalpolizei
     in der Rue Mouffetard erwartungsvoll auf den Bildschirm. Von der Île Saint-Louis aus war der Punkt nach Süden gewandert in
     Richtung Flughafen Orly, bis er an der N 7 bei Vaugirard angehalten hatte. Einige Minuten später war die Fahrt weitergegangen.
    »Wo ist die nächste Streife?«, sagte der Leiter der Ermittlungen eher zu sich selbst als zu seinen Kollegen. Bei der Untersuchung
     des Mordfalls in der Seine war er auf eine simple Idee gekommen. Da die Handtasche für den Mörder offenbar außerordentlich
     wichtig war, hatte er den Inhalt ausgetauscht und sie mit einem Peilsender versehen. Ein Profi würde ihn erkennen, aber bis
     eben hatte er sie ja schon ein Stück weiter gebracht.
    »Die nächste Streife ist in Montsouris. Sollen wir ihnen Bescheid sagen?«
    »Wir warten noch einen Moment.«
    Von Anfang an war klar gewesen, dass hier kein normaler Mordfall vorlag. Die Polizeistreifen hatten Anweisung, die Gegend
     rund um die Brücke im Auge zu behalten, aber es sollten keine Ressourcen für eine Observation geopfert werden. Der Peilsender
     informierte preiswerter über den Weg, den die Handtasche nahm.
    Der Punkt stand noch immer still.
    »Die Notrufzentrale hat vor kurzem Meldung über einen Autounfall auf der N 7 bei Vaugirard bekommen«, sagte ein Polizist,
     der in den Raum geeilt kam. »Die Sanitäter haben einen leeren Fiat und einen Kleinbus mit acht Insassen in Taucherausrüstung
     vorgefunden. Sie hatten Verletzungen unterschiedlichen |18| Grades. Auch eine Gruppe Amerikaner war vor Ort. Die transportierten die verletzten Froschmänner ab. Sehr seltsam.«
    »Wo war das genau?«, fragte der Leiter der Ermittlungen.
    »An der Kreuzung Caillaux   – Choisy.«
    Mit einem Blick auf den Bildschirm stellte der Chef fest, dass dies genau die Stelle war, an der der Peilsender zum ersten
     Mal stehen geblieben war.
    Was ging hier eigentlich vor? Er blickte auf den durchsichtigen Beutel vor sich auf dem Tisch. Er enthielt den ursprünglichen
     Inhalt der Handtasche. Warum waren ein paar Leute so verzweifelt dahinter her?
    Besonders interessierte sich der Leiter der Ermittlungen für die russischsprachige Beschriftung der Plastikhülle.

|19| 2
    Timo Nortamo war ziemlich aufgeregt. Er parkte seinen alten Mercedes und stieg aus. Soile und Aaro folgten ihm. Niemand sagte
     ein Wort.
    Das Haus stand auf einem steilen Hanggrundstück, auf dem große Lärchen und Buchen wuchsen. Seit sie das Kaufangebot gemacht
     hatten, waren sie zum ersten Mal hier. Es gab kein Zurück mehr, das hier würde demnächst ihr neues Zuhause sein.
    Timo machte das Gartentor auf und ging zwischen Sträuchern und hohen Bäumen die Treppe aus Naturstein hinauf. Soile folgte
     ihm und sah etwas mürrisch aus. Sie war gerade erst aus Genf gekommen, Timo und Aaro hatten sie direkt vom Flughafen abgeholt.
    Aaro stolperte über einen mit Moos bewachsenen Stein in der Treppe. Im Schatten der großen Buchen sah der Junge blass und
     schmächtig aus, viel jünger als vierzehn.
    »Die müsste neu gemauert werden«, sagte Soile.
    »Wahrscheinlich«, brummte Timo. Er merkte, dass er empfindlich war und nicht bereit, sofort Kritik einzustecken. Alles in
     allem war die Treppe in schlechterem Zustand, als er es von seinen beiden früheren Besuchen her in Erinnerung hatte.
    Auch das Haus
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