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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor
Autoren: dtv
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der Amerikaner kam näher. Weit hinter ihm schienen nun auch die Lichter von
     Jørgensens Lieferwagen auf.
    Carla ließ den Wagen im Schritttempo auf die Kreuzung zurollen. Sie kniff die Augen zusammen. Der Kleinbus kam immer näher.
    Die Hände fest am Lenkrad, hielt sie an und wartete. Die hellen Flecken der Scheinwerfer wurden größer, reflektierten in den
     Seitenscheiben und brachen sich in Carlas Augen. Sie rissen zwei helle Löcher in die Dunkelheit, hinter denen das Geräusch
     des Motors immer lauter zu hören war.
    Noch zweihundert Meter   ... hundert   ... fünfzig   ...
    Carla trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und schoss mit ihrem Wagen auf die Straße. Die von der Seite heranfliegenden
     Lichter gerieten heftig ins Schlingern, als der Fahrer des Kleinbusses auf die Bremse trat.
     
    Der Fuß auf dem Bremspedal zitterte, und es fühlte sich an, als träte er auf eine riesige Bohrmaschine. Das AB S-Bremssystem funktionierte exakt so, wie es im Mercedes-Werk geplant worden war. Die Räder blockierten nicht, sondern verlangsamten die
     Masse von zwei Tonnen Meter für Meter.
    Allerdings waren jetzt nur noch sehr wenige Meter übrig. Der Fahrer sah die Flanke des Autos, das plötzlich im Scheinwerferkegel
     aufgetaucht war, unaufhaltsam näher kommen. Er machte eine schnelle Lenkbewegung nach rechts.
    »Eine Falle!«, brüllte Novak auf der Hinterbank Sekunden vor dem Aufprall.
    |15| Die linke vordere Ecke des Mercedes prallte gegen die hintere Ecke des PKW.   Der scharfe Knall der zusammenstoßenden Karosserien wurde begleitet von den Geräuschen explodierender Airbags und quietschender
     Reifen. Durch die scharfe Bremsung wurde die vordere Stoßstange auf den Asphalt gedrückt, und ein glühender Funkenregen schoss
     in die Nacht. Der Kleinbus stellte sich quer und schlitterte weiter, fällte ein paar kleinere Bäume, bis ihm zwei mannsdicke
     Buchen im Weg standen. Man hörte Glas splittern und Stahlstreben knirschen, als die Baumstämme in die Karosserie eindrangen.
    Auf den Lärm folgte vollkommene Stille, die aber nur wenige Sekunden anhielt.
    »Wie sieht’s aus   ...«, rief Novak mit heiserer Stimme. »Ist jemand   ...«
    Der Satz wurde durch einen gedämpften Knall und ein Zischen unterbrochen. Das Betäubungsgas breitete sich rasch im Wageninneren
     aus.
     
    Kim Jørgensen schob eine helle Halogenlampe und den Lauf einer Maschinenpistole durch das Seitenfenster des Mercedes. Gleichzeitig
     zersplitterte auf der anderen Seite ein Fenster durch den Hieb der Lampe seines Partners. Die beiden Lichtkegel glitten über
     die Taucher in ihren schwarzen Anzügen. Der Amerikaner, der noch immer die Handtasche auf dem Schoß hielt, hatte eine Schramme
     an der Stirn abbekommen. Von seiner Nasenspitze tropfte Blut.
    Jørgensen öffnete die Tür. Mit vorgehaltener Waffe trat er in das Durcheinander. Er hielt den Atem an. Seine Aufmerksamkeit
     galt der Tasche auf dem Schoß des blutenden Mannes, aber er war auf der Hut: Es war nicht auszuschließen, dass einer der Froschmänner
     sich nur bewusstlos stellte.
    Er packte die Tasche, und die schlaffe Hand des Amerikaners rutschte zur Seite. Dann verließ er den Wagen sofort wieder. Die
     Bewusstlosigkeit der Männer würde maximal zehn bis fünfzehn Minuten anhalten.
    |16| Inzwischen war Carla aus dem Fiat gekrochen. Ihre Wange blutete. Auf dem Airbag konnte man die Blutflecken sehen.
    Mit seinem Partner trug Jørgensen Carla zum Lieferwagen, als wäre sie leicht wie eine Puppe. Sie fuhren sofort los, denn jeden
     Moment konnten weitere Amerikaner auftauchen.
    Jørgensen zog einen Plastikbeutel aus der nassen Handtasche. Darin war ein gepolsterter Briefumschlag.
    »Großartig gemacht«, sagte er zu Carla, die – noch ganz atemlos – auf der Rückbank lag. Dabei riss er hastig das Kuvert auf.
     Der Wagen schlingerte in einer scharfen Kurve.
    »Einen so heftigen Aufprall wollte ich nicht, das war ein Versehen«, stammelte Carla, den Blick auf das Kuvert gerichtet.
     Sie drückte ein Papiertaschentuch gegen die Wange. Es verfärbte sich im Nu rot.
    Auf Jørgensens schweißüberströmtem, rotem Gesicht machte sich Fassungslosigkeit breit, als er den Inhalt aus dem Kuvert herausschüttelte:
     eine Haarbürste, ein Fläschchen mit Wimperntusche, Schlüsselbund, Portemonnaie, Handy.
    Das war nicht die Tasche, die sie suchten! Was war da passiert? Ein Täuschungsmanöver der Amerikaner?
    Jørgensen sah sich die Gegenstände genau an. Seine Reaktionen
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