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Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)

Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
Autoren: Janet Chapman
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gesunden Händen und Marys unsicherer linken Hand, gemeinsam seine Beinchen zu befreien. Grace hielt erst den einen Fuß und dann den anderen hoch und zählte laut seine Zehen.
    Verblüfft zählte sie noch einmal.
    Zwölf.
    Sechs an jedem winzigen Füßchen.
    Mary stieß einen schwachen Freudenschrei aus. Zumindest hörte es sich danach an. Grace musterte sie sprachlos.
    »Geschenke von seinem Papa«, hauchte sie atemlos. »Michael hat an jedem Fuß sechs Zehen.«
    Und das war ein Grund zur Freude?, wollte Grace fragen. Es war etwas Gutes, missgebildet zu sein?
    »Zieh ihm das Hemd und die Windel aus«, sagte Mary als Nächstes. »Ich will ihn nackt sehen.«
    Grace fürchtete sich davor. Was für weitere Überraschungen versteckten wohl die Kleider? Doch sie tat, worum ihre Schwester sie gebeten hatte, obwohl sie befürchtete, der Winzling würde womöglich unter ihren Handgriffen zerbrechen. Sie wusste doch gar nicht, wie man das richtig machte. Verflixt, sie hatte ja nicht einmal als Kind mit Puppen gespielt. Sie war mit ihrem Vater zum Wandern und Fischen gegangen, bis sie acht war, bis einer ihrer älteren Brüder eine Biographie von Albert Einstein mitgebracht hatte und sie die Welt der Wissenschaft entdeckte. Von da an gab es für sie nur noch Teleskope, wissenschaftliche Werke und mathematische Formeln auf Wandtafeln.
    Grace zog dem Baby das Nachthemd aus und öffnete die Windel. Sie holte tief Luft und deckte ihn hastig wieder zu.
    Mary zog ihm die Windel ganz aus. »Sei doch nicht so prüde, Gracie«, sagte Mary und umfasste sein kleines Hinterteil mit einer Hand. »Er muss so aussehen und wird schon noch hineinwachsen.« Mary streichelte über sein Gesicht und rieb dann mit den Fingern besitzergreifend über seinen ganzen Körper. »Hol eine frische Windel, bevor er uns nass spritzt«, sagte sie.
    Grace folgte rasch der Anweisung. Und mit vereinten Kräften und drei Händen gelang es ihnen, ihn zu wickeln und wieder in sein Hemdchen zu stecken.
    Grace band gerade das letzte Bändchen zu, da fiel ihr eine Träne auf die Hand. Sie hielt inne, sah auf und merkte, dass Mary leise zu weinen begonnen hatte, den Blick auf ihren Sohn gerichtet.
    »Was ist los, Mary, hast du Schmerzen?«, fragte sie und hielt die Füßchen des Babys fest, damit er sie nicht treten konnte.
    Mary schüttelte langsam den Kopf, den Blick fest auf ihren Sohn gerichtet, und strich sanft über seine Wange. »Ich will ihn
aufwachsen sehen«, flüsterte sie mit einer Stimme, die zunehmend müder und schwächer wurde. Sie sah Grace an. »Ich will für ihn da sein, wenn er hinfällt und sich das Knie aufschürft, wenn er seine erste Schlange fängt, sein erstes Mädchen küsst und danach jeden zweiten Tag ein gebrochenes Herz hat.«
    Grace zuckte zusammen, als hätte sie ein Schlag getroffen. Sie schloss die Augen, als der Schmerz in ihre Kehle aufstieg und sie zuschnürte, zwang sich, nicht zu weinen.
    Mary hob die Hand und strich mit zitterndem Finger über Graces Wange, genauso wie sie es bei ihrem Sohn getan hatte. »Dafür musst du jetzt sorgen, Gracie. Du musst an meiner Stelle für ihn da sein. Bring ihn zu seinem Vater, und sei für beide da. Versprochen?«
    »Er ist nicht bei Verstand, Mary. Er denkt, er wäre durch die Zeit gereist.«
    Mary schaute wieder ihren Sohn an. »Vielleicht hat er das wirklich getan.«
    Grace hätte am liebsten einen Schrei ausgestoßen. Wurde das Urteilsvermögen ihrer Schwester von den Medikamenten in ihrem Körper beeinträchtigt? War sie so matt, so geistig erschöpft, dass sie gar nicht bemerkte, was sie da forderte?
    »Mary«, sagte sie, griff nach dem Kinn ihrer Schwester und zwang sie dazu, sie anzusehen. »Menschen können nicht durch die Zeit reisen.«
    »Mir ist es egal, und selbst wenn er vom Mars kommt, Gracie. Ich liebe ihn. Und er wird unseren Sohn mehr lieben, als es jeder andere tun kann. Sie brauchen einander, und ich brauche dein Versprechen, dass du die beiden zusammenführst.«
    Grace wandte dem Bett den Rücken zu und ging zum Fenster. Sie hasste es, ein solches Versprechen geben zu müssen. Sie verstand nicht das Geringste von Babys, aber sie war intelligent und finanziell unabhängig. Wie schwer würde es schon sein, einen kleinen Jungen aufzuziehen? Sie konnte Bücher über Kindererziehung
lesen und ihm ein gutes Leben voller Liebe und Aufmerksamkeit versprechen.
    Sie war noch nie diesem Schotten Michael begegnet, und das Wenige, was sie über ihn wusste, gefiel ihr absolut nicht,
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