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Das Herz des Drachen

Das Herz des Drachen

Titel: Das Herz des Drachen
Autoren: Keith R. A. DeCandido
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für einen unedlen Zweck missbraucht werden.

 
    2009

 
    Zwei
    Dean Winchester starrte den Mann mit dem weißen Spitzbart auf der anderen Seite des Tisches seelenruhig an.
    Sie waren die beiden letzten verbliebenen Spieler einer Pokerpartie, die die ganze Nacht gedauert hatte. Dean hatte einen ansehnlichen Stapel Chips vor sich aufgebaut. Der weiße Ziegenbart hatte noch einhundert Dollar in Chips übrig und betrachtete seine Karten nervös, während er bereits die zwölfte Zigarre paffte. Dass er das unter einem roten RAUCHEN VERBOTEN Schild tat, hatte zu Beginn des Spiels für Lacher gesorgt, aber jetzt war es nur noch ermüdend.
    Dean bezweifelte, dass er jemals den Geruch von billigen Zigarren aus seiner Lederjacke bekommen würde, aber diesen Preis musste er zahlen – und die sechshundert Dollar, die er sich von Bobby Singer geliehen hatte, um sich in das Spiel einzukaufen. Er und sein Bruder Sam waren geradezu mittellos, was bedeutete, dass sie einen großen Gewinn brauchten. Jedenfalls, wenn sie solche Sachen wie Essen und Benzin für Deans 1967 Chevrolet Impala bezahlen wollten. Schließlich waren verhungern und auf der Straße liegen bleiben zusätzliche Unannehmlichkeiten, wenn man gerade versuchte, die Apokalypse zu verhindern.
    Der weiße Ziegenbart starrte auf Deans vier aufgedeckte Karten: eine Herzzwei, Kreuzdrei, Herzvier und eine Piksechs. Er selbst hatte drei Asse offen liegen und eine Karovier. Dean hatte die ganze Zeit die Erhöhungen seines Gegners gehalten, aber nie selbst erhöht. Er konnte es sich leisten, großzügig zu sein, wenn man den monstermäßigen Haufen Chips betrachtete und wusste, dass der weiße Ziegenbart in den letzten Zügen lag.
    Ich sollte mir wirklich den Namen dieses Typen merken, dachte Dean.
    Dann überlegte er es sich anders. Nee, warum auch?
    Ziegenbarts Problem war es, dass er nicht wusste, ob Dean einfach nur zum Spaß mitging oder nicht. Immerhin war es Dean möglich, bei allen seinen Einsätzen mitzugehen, auch wenn er nur Schrott auf der Hand hatte. Seine aufgedeckten Karten deuteten eventuell auf eine Straße hin, vielleicht aber auch auf zwei Paare oder einen Dreier.
    Andererseits konnte Ziegenbart leicht ein Full House oder sogar vier Asse auf der Hand haben. Unwahrscheinlich, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen.
    Was Ziegenbart beschäftigte, dachte Dean, war, dass sein Stapel Chips sich im Laufe der Nacht langsam aber sicher bis zum Morgen erhöht hatte. Das war kein Zufall. Die anderen fünf Spieler waren ausgestiegen und der Großteil ihres Geldes wurde jetzt von tönernen Scheiben verkörpert, die entweder vor Dean aufgestapelt oder mitten auf dem Tisch lagen.
    Auf mannigfaltige Weise erschien es ihm lächerlich, Poker zu spielen, während der Weltuntergang bevorstand, aber sie mussten irgendwie an Bargeld kommen. Außerdem war es ebenso lächerlich, so sachlich über das Ende der Welt nachzudenken.
    Trotzdem war es unausweichlich. Sam war von einem Dämon namens Ruby manipuliert worden, Luzifer aus der Hölle zu befreien. Die Engel und Dämonen rüsteten sich und die Menschheit würde den Preis dafür zahlen müssen.
    Die Engel bestanden darauf, dass Dean das Gefäß für den Erzengel Michael war, und die Dämonen waren genauso davon überzeugt, dass es Sams Schicksal war, als Gefäß für Luzifer zu dienen. Ihnen war gesagt worden, dass das unvermeidbar war und dass sie ihr Schicksal akzeptieren sollten.
    Beide weigerten sich auch nur eine verdammte Sache zu akzeptieren. Sozusagen.
    Sie hatten keine Ahnung, wie sie diesen Kampf gewinnen sollten, wollten es aber versuchen oder kämpfend untergehen.
    Aber zurück zu naheliegenderen Dingen.
    „Kommen Sie schon, Colonel Sanders“, sagte Dean und brach das Schweigen so plötzlich, dass alle im Raum aufschreckten. „Einsatz oder Passen?“
    Der Ziegenbart seufzte.
    „Lässt mir keine Wahl, oder?“ Er schob all seine Chips in die Mitte des Tischs. „Hunnert.“
    Dean warf lässig zwei Fünfzig-Dollar-Chips.
    „Ich halte.“
    Grinsend drehte der Ziegenbart sein Herzass neben den drei andern um.
    „Vierer.“
    Dean stieß einen langen Atemzug aus und drehte die Herzsechs um. Dann die Herzvier.
    Der Ziegenbart dachte, dass Dean nur zwei Paare – Sechsen und Vieren – hatte, und begann nach den Chips zu greifen. Dann drehte Dean die dritte Karte um: Die Herzfünf.
    Er hatte die Herzzwei, -drei, -vier, -fünf und -sechs: Einen Straight Flush, die einzige Hand, die einen Vierer übertrumpfen
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