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Das Haus Nucingen (German Edition)

Das Haus Nucingen (German Edition)

Titel: Das Haus Nucingen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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...« »War Desroches damals Advokat?« »Er praktizierte 1822,« sagte Couture. »Und das war kühn von dem Sohn eines armen Beamten, der nie mehr als achtzehnhundert Franken bekam, kühn von einem jungen Mann, dessen Mutter mit Stempelpapieren handelte. Aber er arbeitete auch angestrengt von 1818 bis 1822. Als vierter Schreiber war er bei Derville eingetreten und 1819 schon zum zweiten aufgerückt!« »Desroches?« »Ja,« sagte Bixiou. »Desroches war seinerzeit, gerade wie wir, arm wie Hiob. Er hatte es satt, in ausgewachsenen Kleidern herumzulaufen, da gab er sich aus Verzweiflung dem Rechtsstudium hin und kaufte sich den Rechtstitel. Nun war er Advokat ohne einen Sou, ohne Klientel, ohne andere Freunde als uns, und hatte für Amt und Bürgschaft die Zinsen zu zahlen.« »Er kam mir damals vor wie ein entsprungener Tiger,« sagte Couture. »Mager, mit rotem Haar und tabakbraunen Augen, kalter und gleichgültiger Miene, aber ein scharfer Arbeiter, der Schrecken seiner Schreiber, die nicht müßig sein durften, klug und gerieben, von honigsüßer Beredsamkeit, sich nie hinreißen lassend ...« »Und er hat gute Seiten,« rief Finot. »Er ist seinen Kameraden ein treuer Freund, und seine erste Sorge war, Godeschal, den Bruder Mariettas, zum Schreiber zu nehmen.« »In Paris«, sagte Blondet, »gibt es nur zwei Arten von Advokaten: den Advokaten, der Ehrenmann ist, der sich in den Grenzen des Gesetzes hält, Prozesse führt, die Dinge nie übereilt, nicht vernachlässigt, seinen Klienten redlichen Rat erteilt, indem er in zweifelhaften Fällen zu einem Vergleiche rät, kurzum ein Derville. Der andere ist der Hungeradvokat, dem alles recht ist, vorausgesetzt, daß es sichern Gewinn bringt; der keine Berge versetzt, denn er verkauft sie, aber der die Sterne vom Himmel herunterholt; der sich anheischig macht, einen Schurken über einen Ehrenmann triumphieren zu lassen, wenn der Ehrenmann zufällig nicht bei Kasse ist. Wenn einer dieser Advokaten einen gar zu grauenhaften Streich spielt, so zwingt ihn die Kammer, seinen Beruf aufzugeben. Desroches, unser Freund Desroches, hat diesen an armen Schluckern betriebenen Beruf gut verstanden: er hat Leuten, die fürchteten, ihre Sache zu verlieren, ihren Prozeß abgekauft, er stürzte sich in Bosheiten und Kniffe, denn er war entschlossen, sich aus dem Elend herauszuarbeiten. Er hatte recht, er hat ehrlich seinen Weg gemacht! Politiker, denen er aus unangenehmen Wirren herausgeholfen, wurden seine Förderer, wie zum Beispiel unser lieber des Lupeaulx, dessen Lage so bedenklich war. Er mußte das, um sich herauszuziehen, denn Desroches war anfänglich beim Gericht unbeliebt, er, der sich solche Mühe gab, die Fehler seiner Klienten wieder gutzumachen! ... Nun, Bixiou, erzähle weiter ... weshalb war Desroches in der Kirche?«
    »›D'Aldrigger hinterläßt sieben- oder achthunderttausend Franken!‹ bekam Desroches von Taillefer zur Antwort. ›Na na! Es gibt nur einen, der sein Vermögen kennt,‹ sagte Werbrust, ein Freund des Verstorbenen. ›Wer?‹ ›Der alte Schlaukopf Nucingen; er wird bis zum Kirchhof mitgehen. D'Aldrigger ist sein Gönner gewesen, und zum Dank ließ er das Vermögen des Biedermannes heimlich abschätzen.‹ ›Seine Witwe wird einen großen Unterschied wahrnehmen!‹ ›Wie meinen Sie das?‹ ›Nun, d'Aldrigger liebte seine Frau sehr! Lachen Sie nicht, man sieht her.‹ ›Halt, da ist ja auch du Tillet, er hat sich recht verspätet, es wird schon die Epistel verlesen.‹ ›Er wird wahrscheinlich die Älteste heiraten.‹ ›Ist es möglich?‹ sagte Desroches, ›er steht mehr denn je mit Frau Roguin in Beziehungen.‹ ›Er, in Beziehungen? ... Sie kennen ihn nicht!‹ ›Wie ist eigentlich die Position von Nucingen und du Tillet?‹ fragte Desroches. ›Sie ist die,‹ sagte Taillefer: ›Nucingen ist der Mann, das Vermögen seines alten Gönners an sich zu reißen und es ihm wieder zurückzuerstatten.‹ Werbrust hustete. ›Es ist verteufelt kalt in der Kirche!‹ Er hustete wieder. ›Wieso zurückzuerstatten?‹ ›Nun, Nucingen weiß, daß du Tillet ein großes Vermögen besitzt, und will ihn mit Malvina verheiraten; aber du Tillet mißtraut Nucingen. Wer dem Spiel zusieht, hat seine Freude daran.‹ ›Wie?‹ sagte Werbrust, ›schon heiratsfähig? ... Wie schnell man alt wird!‹ ›Malvina d'Aldrigger ist über zwanzig Jahre, mein Lieber. Der gute d'Aldrigger hat 1800 geheiratet, Er gab uns damals in Straßburg bei seiner Hochzeit und
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