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Das Haus in Georgetown

Das Haus in Georgetown

Titel: Das Haus in Georgetown
Autoren: Emilie Richards
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dann war es ihre Aufgabe, die Expedition zu leiten. Wenn alles gut lief, würde er ihr sicherlich später beim Hereintragen und Auspacken der Tüten helfen.
    Sie beschloss, ihr Kommen nicht anzukündigen und alles Weitere von seiner ersten Reaktion abhängig zu machen. Also öffnete und schloss sie die Wagentür leise, obwohl die steinernen Mauern ohnehin fast alle Geräusche schluckten. Sie stellte sich vor, wie er sich im Arbeitszimmer zwischen seinen Kiefernholzmöbeln eingeigelt hatte. Diesen Raum hatte er vor allen anderen eingerichtet.
    Sie fragte sich, ob dies heute der erste Arbeitsaufenthalt war, den er ihr verheimlicht hatte.
    Gab es noch mehr Dinge in seinem Leben, von denen sie nichts wusste?
    Die Tür war abgesperrt, und sie angelte nach ihrem Schlüsselbund. Obwohl die aufschwingende Tür knarrte, kam David nicht ins Wohnzimmer. Seit Beginn des Schuljahres hatte sich die Familie nicht oft hier aufgehalten. Im Haus war es still, und es roch muffig; er war wohl zu beschäftigt gewesen, um die verdreckten Fenster zu öffnen und die Zimmer gründlich durchzulüften. Jetzt sah sie auch den Staub auf dem Kaminsims und ein labyrinthisches Spinnennetz, das von einem der frei liegenden Balken in der Ecke hing. Die Luft war relativ warm, obwohl im Kamin kein Feuer brannte. Faith schlich über die Eichendielen nach rechts in den Flur, von dem Davids Arbeitszimmer abging.
    Ein Stöhnen ließ sie innehalten. Sie konnte das Geräusch nicht genau orten, aber aus dem Arbeitszimmer, das nun direkt rechts vor ihr lag, kam es gewiss nicht – eher aus einem der Zimmer am Ende des Flurs.
    Ihre Füße waren wie festgenagelt. Also hielt sie den Atem an und lauschte. Gerade als sie nach David rufen wollte, hörte sie, wie etwas über den Fußboden schabte; ein leises Lachen folgte.
    Erleichtert schloss sie die Augen und stellte sich vor, was ihr Mann im Schlafzimmer tat. David verrückte Möbel oder versuchte, ein Fenster zu öffnen. Eines der Fenster ließ sich nur mit Hilfe eines Schemels erreichen, den sie unter dem Bett aufbewahrten. Sie konnte sich nicht erinnern, wie oft er sich schon die Zehen daran gestoßen hatte, wenn er beim Zubettgehen seine Schuhe aus dem Weg kicken wollte. Vielleicht hatte er vorgehabt, ein Nickerchen einzulegen, und gerade die Schuhe ausgezogen ...
    Als sie die Szene im Geiste so weit durchgespielt hatte, setzte sie ihren Weg durch den Flur fort. Jetzt machte sie so viel Lärm, dass sie einen Bären aus dem Winterschlaf hätte reißen können. Inzwischen war sie ihrem Mann nah genug, um seine Reaktion auf ihr plötzliches Erscheinen abschätzen zu können.
    „David? Bist du da drinnen?“
    Sie legte die Hand auf den Türknauf und zögerte einen Moment, ohne genau zu wissen, warum. Plötzlich tauchte der grandiose Sonnenaufgang wieder vor ihrem inneren Auge auf – Gottes Ankündigung.
    Und eine Vorahnung, dass ihr die Neuigkeiten nicht gefallen würden.
    Dennoch öffnete sie die Tür. Sonnenlicht durchflutete das Zimmer und umspielte die beiden Männer. Der eine war ihr Gatte. Von der Taille abwärts unbekleidet, stand er vor einem großen Spiegel, der an diese Stelle gerückt worden war. Auch den anderen Mann hatte sie früher schon gesehen, allerdings nie so wie jetzt: nackt und seinen Liebhaber umarmend. Abraham Stein, der liberale Journalist, der „Promise to Children“ so oft kritisiert hatte, umklammerte David mit seinen muskulösen Armen wie ein Kind sein liebstes Weihnachtsgeschenk.
    Aus Davids fein geschnittenen Zügen wich jede Farbe. Faith beobachtete fassungslos, wie er die Hände bewegte, um seine Erektion zu verbergen.
    In ihrem letzten klaren Moment des Tages fiel Faith auf, dass David sich nicht etwa gegen Abraham Steins Umarmung wehrte, er schützte sein Geschlecht vielmehr vor dem unwillkommenen Blick jener Frau, mit der er seit fünfzehn Jahren verheiratet war.

1. KAPITEL
    Wie oft muss eine Frau ihren Lebenstraum offiziell für gescheitert erklären? Wie oft muss sie das Ende der ihr bekannten Welt mit Datum und Unterschrift besiegeln?
    „Und Sie, Mrs. Bronson, wenn Sie bitte hier unterzeichnen möchten ...“ Carol Ann, die Vertreterin der Firma, die den Verkauf des Bronson-Hauses abwickelte, schob Faith noch ein weiteres Blatt Papier herüber. „Merken Sie sich das Datum“, sagte sie, schätzungsweise zum fünfzigsten Mal an diesem Nachmittag. „Der 7. August.“
    „Danke. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass ich das vergesse.“ Faith blickte nicht auf. Sie
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