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Das Haus in Georgetown

Das Haus in Georgetown

Titel: Das Haus in Georgetown
Autoren: Emilie Richards
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die Zapfsäule und angelte einen Zwanzig-Dollar-Schein aus ihrem Portemonnaie. „Na, da bin ich aber froh. Ich dachte schon, ich müsste auf der Stelle niederknien.“
    „Bei mir, da is ein Enkelchen unterwegs. Schätze, das kommt heute.“ Er schüttelte die Zapfpistole, hängte sie in die Halterung zurück und schraubte den Tankdeckel wieder zu. „Und bei Ihnen?“
    „Sind es immer Veränderungen zum Guten?“
    Tubby verzog das Gesicht. „Nee“, meinte er schließlich. „Als mein Daddy gestorben is, an dem Tag ging die Sonne so strahlend auf, dass ich fast geglaubt hab, ich muss blind werden.“
    Da stand sie nun. Tubby wartete auf eine Antwort, und plötzlich presste die geballte Anspannung der letzten Monate ihrenBrustkorb zusammen wie ein Schraubstock. Neugierig blickte der alte Mann ihr unverwandt ins Gesicht. „Tja, ich fürchte, ich muss mich einfach überraschen lassen.“
    „Sagen Sie nich, ich hätt Sie nich gewarnt. Da is was Großes im Anmarsch.“ Tubby nahm den Schein und gab ihr Wechselgeld heraus. „Brauchen Sie was von drinnen? Oder hat Mr. Bronson schon alles besorgt?“
    Die Frage irritierte sie. „David? Nein, er ist auf einer Geschäftsreise.“
    „Und ich hab gedacht, Sie und der Mister machen mal Urlaub von den Kleinen.“
    „Ich hoffe, er fährt heute Abend vom Flughafen aus direkt hierher.“ Im Hotel in Seattle hatte sie ihn nicht erreicht, ihm aber auf die Mailbox seines Handys gesprochen und bei der Sekretärin eine Nachricht hinterlassen. Vom „Dulles Airport“ war es nur eine Autostunde bis zum Wochenend-Cottage.
    „Dachte, ich hätt ihn gestern Abend vorbeifahren sehn.“ Tubby versuchte, einen Fleck von der Windschutzscheibe zu wischen, feuchtete seinen Zeigefinger an und probierte es noch einmal. „Da hab ich mich wohl geirrt.“
    „Er hält einen Vortrag auf einer Konferenz in Washington State.“
    „Übers Schulgebet?“
    David und Tubby konnten endlos über Gott und die Welt plaudern. David hatte in Harvard studiert und war Vorsitzender von „Promise the Children“, einer konservativen Organisation, die sich für Familienwerte und eine bessere Gesellschaft einsetzte. Er liebte es, jedem, der bereit war zuzuhören, seine Anschauungen auf die Nase zu binden. Tubby, der nicht einmal die High School abgeschlossen hatte, konnte ihm jedoch gut Paroli bieten.
    „Ich glaube, diesmal geht es um die Notwendigkeit, die Medien zu kontrollieren“, sagte sie.
    Tubby trat einen Schritt zurück und betrachtete zufrieden die Windschutzscheibe. „Gott segne ihn.“
    Gottes Segen lag auf allen Bronsons. Faith wusste das und war dankbar dafür. Hübsche, kluge Kinder, gute Gesundheit, Wohlstand – und eine Ehe, die auf übereinstimmenden Wertvorstellungen fußte. Wenn es in letzter Zeit auch den Anschein hatte, dass David und sie nicht mehr so gut harmonierten, so war das doch eine Kleinigkeit, die sich vermutlich ohne weiteres wieder einrenken ließ.
    Heute Nacht vielleicht?
    „Also, ich bin weg“, meinte Faith. „Danke für die Hilfe.“ Sie drehte den Zündschlüssel, winkte kurz und sah, dass Tubby zurückwinkte.
    Wieder auf der Straße, ließ ihr das Gespräch keine Ruhe. Während der ganzen Fahrt war es ihr gelungen, nicht an ihre Eheprobleme zu denken, aber offenbar lauerten sie ganz dicht unter der Oberfläche. Eine beiläufige Bemerkung hatte ausgereicht, um sie wieder zum Vorschein zu bringen.
    Sie liebte David. Ja, er war der einzige Mann, den sie je geliebt hatte. Mit zweiundzwanzig hatte sie sich Hals über Kopf in ihn verknallt, und immer noch kniff sie sich jedes Mal, wenn ihr bewusst wurde, dass der elegante, charismatische David Bronson sie zur Frau gewählt hatte.
    David liebte sie. Daran gab es keinen Zweifel. Während der fünfzehn Jahre ihrer Ehe hatte er nie eine andere angesehen. Er arbeitete zu viel und war oft unterwegs, aber er war ein treuer Mann und hingebungsvoller Vater. Die meisten ihrer Freundinnen beneideten sie. David lebte gemäß den Werten, die er propagierte.
    Erst in der letzten Zeit hatten sich Probleme eingeschlichen.Ihre Beziehung war schon immer mehr von Zuneigung als von Leidenschaft geprägt gewesen. Bei ihrer ersten Begegnung hatten sie sich auf Anhieb verstanden, sich bis zum Morgengrauen unterhalten und diese Gespräche jede Nacht fortgesetzt, bis alles, was sie noch nie einer Menschenseele anvertraut hatten, ausgesprochen war. Seine Berührungen hatten sie erregt, aber noch mehr hatte seine ungeteilte Aufmerksamkeit sie
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