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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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dringend.

Herzlichst
Ihre Frieda Oppenheim

    Ratlos und aufgewühlt blickte Pauline auf den Brief nieder. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie davon halten sollte. Waren Frieda und Julius nun verlobt? Das vertrauliche uns und wir , das Frieda verwendete, deutete darauf hin. Doch wie viel wusste sie über die Ereignisse, die zu Paulines Weggang geführt hatten? Und falls sie davon wusste, nahm sie ihnen nichts übel?
    Natürlich stand es außer Frage, dass Pauline vor Gericht in Julius’ Sinne aussagen würde. Das war sie ihm schuldig. Aber sie würde ihn dazu nicht aufsuchen. Sie würde sich für die kurze Zeit, die sie in Köln weilen musste, eine Pension suchen und nach dem Ende der Verhandlungen sofort weiterreisen. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Elmar Schnitzler von ihrem Verrat erfuhr und sich dafür an ihr rächen wollte, indem er ihren Ruf in den Schmutz zog. Mittlerweile traute sie diesem Mann alles zu, obwohl sie nicht begreifen konnte, dass er sich wegen ihr und eines unverständlichen Hasses auf Julius zu solch irrationalen Handlungen hatte hinreißen lassen und ihn bei Spekulationen übervorteilt oder ausgebootet hatte. Er hatte ihm lukrative Anlagen vor der Nase weggeschnappt oder Julius’ Anteile daran einfach aufgekauft. Hatte Elmar damit wirklich erreichen wollen, dass Julius ruiniert wurde und sie – Pauline – nunmehr seinem und nicht mehr Julius’ Haushalt angehörte?
    Die Gedanken verknäuelten sich in Paulines Kopf und machten sie schwindelig. Deshalb bemühte sie sich um Ruhe und begann systematisch, ihre Sachen zusammenzupacken. Danach würde sie zur Poststation gehen und herausfinden, wann die nächste Kutsche Richtung Koblenz ging.
    ***
    Julius musste sich sehr beherrschen, um dem Mann, der vor ihm das Gerichtsgebäude verließ, nicht nachzulaufen und ihm seine Faust ins Gesicht zu rammen. Elmar Schnitzler hatte sich wegen Betrugs zu verantworten, doch leider nur in wesentlich geringerem Umfang, als es Julius lieb gewesen wäre. Zwar hatte der alte Schnitzler seinem Sohn Konsequenzen angedroht, ihm jedoch gleichzeitig einen guten Anwalt zur Seite gestellt. Natürlich sollte ein allzu großer Skandal verhindert werden.
    Dem Bankhaus Schnitzler hatte Julius das Vertrauen gekündigt und veranlasst, dass die laufenden Geschäfte und Kredite von einer anderen Bank übernommen wurden. Schnitzler war ihm sehr entgegengekommen, dennoch bedeutete diese Umschuldung weitere Verluste und Schwierigkeiten für Julius. Mittlerweile zog er den Vorschlag Oppenheims, mit fünfundzwanzig Prozent stiller Teilhaber an der Reuther’schen Fabrik zu werden, ernsthaft in Erwägung. Vermutlich war es der einzig sinnvolle Weg, den er jetzt noch beschreiten konnte. Zwar war eine Pleite durch einen Schachzug seiner Mutter abgewendet worden, den Julius aber nicht gutheißen konnte. Sie hatte ein Opfer gebracht, das er niemals von ihr verlangt hätte. Doch seine Sturheit und Durchsetzungskraft hatte er anscheinend von ihr geerbt. Sie war es auch, die auf dem Vertrag mit Oppenheim bestand. Julius könne ja, so hatte sie argumentiert, Oppenheims Anteile zurückkaufen, sobald sich die Firma wieder auf festen Füßen befand.
    Auf dem Heimweg, den er wegen seiner schlechten Laune und der Hoffnung auf die beruhigende Wirkung des Spaziergangs zu Fuß zurücklegte, wanderten seine Gedanken rasch weiter zu Pauline. Er hatte sie am Vortag kurz im Gericht gesehen, als sie gekommen war, um vor dem Richter auszusagen. Leider war sie danach gleich wieder verschwunden, sodass er keine Gelegenheit gehabt hatte, mit ihr zu sprechen. Er war inzwischen so weit, sich über ihren Wunsch, sie in Ruhe zu lassen, hinwegsetzen zu wollen. Wie sonst sollte er ihr klarmachen, dass sie die einzige Frau war, die er heiraten wollte?
    Der gute Leyndecker hatte rasch in Erfahrung gebracht, wo sie untergekommen war. Die Pension lag etwas außerhalb in der Nähe der Stadtmauer und mitnichten in einem anständigen Viertel. Er musste einen Weg finden, sie dazu zu bringen, ihn in seinem Haus aufzusuchen.
    ***
    Pauline hatte der Versuchung nicht widerstehen können und war zum Haus in der Löwengasse gegangen. Sprachlos stand sie vor dem geöffneten Tor und blickte auf die frischgepflanzten Büsche ringsum und die ordentlich geharkten und für den Frühling vorbereiteten Beete. Sie sah sogar schon ein paar Farbkleckse; Primeln und Krokusse streckten ihre bunten Köpfchen der Sonne entgegen. Bei dem Anblick traten Tränen in
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