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Das Haus in den Dünen

Das Haus in den Dünen

Titel: Das Haus in den Dünen
Autoren: Ulrich Hefner
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Urlaub?«
    »In Griechenland, drei Wochen. War eine tolle Zeit. Und vor allem gab es keine Leichen.«
    »Ah, Griechenland. Athen, Akropolis, die Ägäis, Kreta, auf den Spuren der Antike«, stöhnte Doktor Mühlbauer. »Da war ich vor zwei Jahren. In diesem Jahr will meine Familie nach Polen.«
    »Polen?«, erwiderte Trevisan erstaunt. »Warum Polen?«
    »Die Wurzeln der Familie meiner Frau liegen in Masuren. Vor ein paar Monaten lief darüber ein Filmbericht im Fernsehen, jetzt hat sich meine Frau in den Kopf gesetzt, auf den Spuren ihrer Vorfahren zu wandeln. Ausgerechnet jetzt, wo ich den Segelschein gemacht habe.«
    Trevisan lächelte. »Und Sie können ihr das nicht ausreden?«
    Doktor Mühlbauer erhob sich. »Frauen …!«, bemerkte er abfällig.
     
    Trevisan fröstelte. Der lange, gekachelte Flur, der zu den Obduktionsräumen führte, war ausgefüllt von grellem Neonlicht. Er bemerkte eine Veränderung: Zwei überdimensionale Bilder zierten jetzt die Wand. Abstrakte Kunst in blau-rotem Farbengewirr.
    »Hat mir meine Tochter geschenkt«, erklärte der Chefpathologe. »Sie studiert Kunst. Sie meinte, ich solle mir die Schinken in mein Büro hängen. Aber ich denke, hier unten sind sie besser aufgehoben. Und die Toten stören sich nicht daran.«
    »Und was sagt Ihre Tochter dazu?«
    Mühlbauer zog grinsend den Schlüssel aus seiner Hosentasche. »Gott behüte, wenn sie es erfährt. Aber da kann ich ganz beruhigt sein. Das hier wäre der letzte Ort, an dem sie auftauchen würde. Sie kann nämlich kein Blut sehen.«
    Als Trevisan den dunklen Sezierraum betrat, spürte er wieder das beklemmende Gefühl in seiner Magengegend, das ihn von jeher in diesen Räumen begleitete. Vielleicht war es wie das Lampenfieber, vor dem auch erfahrene Schauspieler nach der hundertsten Aufführung nicht gefeit waren. Richtig mulmig wurde es Trevisan erst, als Doktor Mühlbauer in voller Montur im Sezierraum auftauchte und das weiße Laken zurückschlug, unter dem der Tote auf dem Seziertisch lag.
    »Viel ist nicht mehr übrig.« Der Doktor betrachtete die Leiche. »Kopf, Oberkörper und die linke Körperhälfte sind verkohlt. Er war offenbar starker Hitze ausgesetzt. Die rechte Körperhälfte ab dem Musculus rectus abdominis ist bis zur Fußspitze angeschwärzt, aber weitestgehend erhalten. Und, für die Polizei sehr hilfreich, auch der rechte Arm weist nur leichte Verbrennungen auf. Wenn Sie mich fragen, dann ist er unter einen brennenden Balken geraten und wurde eingeklemmt.«
    »Wir müssen wissen, wodurch er starb«, erklärte Trevisan. »Vielleicht wurde der Brand zur Verschleierung der wahren Todesursache gelegt.«
    »Dann wollen wir einmal in die Materie vordringen.« Der Chefpathologe griff zur Säge.
    »Es macht Ihnen wohl nichts aus, wenn ich mich da drüben auf einen Stuhl setze.«
    Doktor Mühlbauer schüttelte den Kopf. »Wo die Toiletten sind, brauche ich ja nicht zu sagen.«
    Die Autopsie dauerte über eine Stunde. Trevisan vermied allzu tiefe Atemzüge, der Geruch wurde beinahe unerträglich. Als Doktor Mühlbauer die Handschuhe abstreifte, erhob sich Trevisan und eilte zur Tür. »Ich warte draußen.«
    »Ja, ja, gehen Sie nur. Ich komme gleich nach. Genießen wir noch etwas die Sonne und befreien wir uns von dem Geruch.«
    Als Trevisan durch die gläserne Schwingtür hinaus ins Tageslicht trat, atmete er erst einmal tief durch. Er setzte sich auf einen der Gartenstühle neben dem Treppenaufgang und wartete. Es dauerte nicht lange, bis sich Doktor Mühlbauer mit einem Seufzer auf dem freien Stuhl niederließ.
    »Zu neunundneunzig Prozent ein Opfer der Flammen und des Rauches«, sagte er. »Rauchgasvergiftung, Ohnmacht, Verbrennungen, das war der Gang der Dinge. Zwar müssen wir noch auf das toxikologische Gutachten warten, aber es würde mich wundern, wenn sich da eine andere Diagnose einstellt. Nein, Trevisan, Sie können davon ausgehen, dass der Tote ein klassisches Brandopfer ist.«
    »Eigentlich habe ich das nicht anders erwartet«, murmelte Trevisan.
    »Tut mir leid, dass ich keinen anderen Befund liefern kann«, entschuldigte sich Doktor Mühlbauer. »Ein Projektil oder so etwas hätte vielleicht ein wertvoller Hinweis sein können. In diesem Fall: Fehlanzeige.«
    Trevisan seufzte. Es gab neben all den Zufällen und den möglichen Zeugenbeobachtungen im Prinzip zwei Schlüssel zur Lösung eines Falles. Der eine führte über das Opfer selbst, seine Persönlichkeit, seine Geschichte und seine Beziehungen. Der
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