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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Webb
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blasse Lippen, aschblondes Haar. Selbst der Tote im Keller hat mehr Farbe, dachte sie trübselig. Belgien. Auf einmal sehnte sie sich danach, an einem anderen Ort zu sein, egal wo, nur nicht hier. Irgendwo, wo strahlender Sonnenschein der Landschaft Konturen verlieh und sie wärmte bis in die Knochen. Warum, um alles in der Welt, hatte sie überhaupt eingewilligt hierherzukommen? Aber sie kannte ja die Antwort. Weil Ryan sie darum gebeten hatte.
    Als wäre er direkt aus ihren Gedanken herausgetreten, stand er plötzlich vor ihr und setzte sich schließlich mit gerunzelten Brauen ihr gegenüber.
    »Hör mal, es tut mir leid, okay?«, sagte er zerknirscht. »Dich hier zu haben ist für mich auch nicht einfach, weißt du? Du machst mich nervös.«
    »Warum bin ich überhaupt hier, Ryan?«, fragte Leah.
    »Ich glaube, dass da eine großartige Story für dich drin sein könnte – wirklich. Der verlorene Soldat, all die Jahre lang namenlos und unbeweint …«
    »Du weißt doch gar nicht, ob jemand um ihn geweint hat oder nicht.«
    »Da hast du recht. Dann eben unentdeckt. Und ich weiß, du findest, dass ich damit respektlos umgehe, aber das stimmt nicht. Muss ein verdammt elender Tod gewesen sein, und ich finde, der arme Kerl verdient ein wenig Beachtung. Meinst du nicht?«
    Leah beäugte ihn argwöhnisch, doch er schien es ernst zu meinen. Sein Haar war ein ganzes Stück gewachsen, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte. Es fiel in ungezähmten braunen Locken um sein Gesicht, passend zu den drei oder vier Tage alten Bartstoppeln an seinem Kinn. Seine Augen hatten die Farbe von dunklem Honig. Leah bemühte sich, nicht allzu tief hineinzuschauen.
    »Warum ich?«, fragte sie.
    »Warum nicht du?«, erwiderte er. »Ich kenne nun mal nicht so viele freie Journalisten.« Er betrachtete eine Weile seine Hände und zupfte an einem ungepflegten Daumen nagel herum, dessen Nagelhaut ohnehin schon gerötet war. Leahs Finger zuckten aus alter Gewohnheit, ihn davon abzuhalten.
    »Das ist alles?«, bohrte sie nach.
    Ryan machte ein finsteres Gesicht und sog kurz und gereizt die Luft ein. »Nein, das ist nicht alles. Was willst du von mir hören, Leah? Dass ich dich sehen wollte? Na schön – bitte sehr«, sagte er schroff.
    Leah verzog die Lippen zu einem kleinen, kühlen Lächeln. »Du konntest deine Gefühle noch nie besonders gut ausdrücken.«
    »Ich habe kaum eine Chance bekommen, es zu lernen, so plötzlich hast du mich verlassen.«
    »Ich hatte einen verdammt guten Grund dafür, das weißt du ganz genau«, erwiderte sie.
    »Warum bist du dann gekommen, wenn ich ein solcher Albtraum bin und du mich nicht sehen willst?«
    »Ich habe nie behauptet …« Leah seufzte. »Ich weiß selbst nicht so richtig, warum ich hergekommen bin. Ich hatte seit zehn Monaten keine gute Idee für eine Story. Ich habe seit weiß Gott wann nichts Lesenswertes mehr geschrieben. Ich dachte, du hättest vielleicht tatsächlich etwas, womit ich arbeiten kann, aber ein unidentifizierter Soldat? Worüber sollte ich denn da berichten – über die Arbeit, die ihr für die Britische Kriegsgräberfürsorge leistet? Darüber, was mit diesen Männern passiert, wenn ihr sie ausgebuddelt habt? Das ist natürlich eine gute Sache, aber es käme ein ziemlich trockener …«
    »Na ja, es gibt da schon so etwas wie einen Anhaltspunkt«, sagte Ryan. Er beugte sich zu ihr vor und schenkte ihr wieder sein zufriedenes, jungenhaftes Grinsen.
    »Was meinst du damit? Peter hat doch gesagt …«
    »Ich wollte es dir ja gerade erzählen, als du unten davongestürmt bist.«
    »Also, was habt ihr?«
    »Geh heute Abend mit mir essen, dann zeige ich es dir«, entgegnete er.
    »Warum sagst du mir nicht einfach jetzt, was es ist?«
    »Ein Abendessen würde viel mehr Spaß machen.«
    »Nein. Hör zu, Ryan, ich finde, wir beide sollten nicht … zu viel Zeit miteinander verbringen. Nicht so.«
    »Ach, komm schon, Leah. Was soll daran so schlimm sein? Wir kennen uns doch wirklich lange genug.«
    »Offenbar kannten wir uns aber nicht so gut, wie wir dach ten«, sagte sie und blickte auf. Wut blitzte in ihren Augen auf, und sie sah, wie er zusammenzuckte.
    »Bitte … geh nur heute Abend mit mir essen«, sagte er sanfter. Leah kippte den letzten Schluck Kaffee hinunter und verzog das Gesicht über den schalen, bitteren Geschmack.
    »Auf Wiedersehen, Ryan. Ich würde gern behaupten, dass es mich gefreut hätte, dich wiederzusehen.« Sie stand auf.
    »Warte, Leah! Willst du nicht mal wissen, was
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