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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten
Autoren: Valter Hugo Mae
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Ihr Alter auf die beste Art verdient, indem Sie Gefühle erwidern, ja, ja, keine Widerrede, denn eine Leidenschaft in diesem Alter und nach so langem Zusammenleben ist einem Menschen vorbehalten, der etwas geben kann. In diesem Augenblick, während der Himmel Fensterscheiben zerschlug oder auch nicht, wirkte diese Nervensäge anders, vielleicht deshalb, weil er den Namen meiner Laura schnell ausgesprochen hatte, als er ihn erwähnte, um mir zum heroischen Wert meiner Liebe zu gratulieren. Die Liebe ist für Helden da, die Liebe ist für Helden da. Vielleicht lag es ja nur an der Uhrzeit, schon drei Uhr morgens, und an der Hölle draußen hinter den Fensterscheiben. Der Mann kam mir erschreckend hellsichtig vor, das Gegenteil von einem minderbemittelten Schwachkopf, so wie die Verrückten manchmal die klarsten und nützlichsten Visionen haben. Eine Sekunde lang sagte ich kein Wort. Ich lächelte und fragte ihn dann, was er von uns halte, von den Silvas, wenn wir als Alte unsere Frauen liebten wie Mütter und alle auf den schlauen Trick verfielen, bei so vielen Sachen eine zweite Kindheit zu erleben. Er riss die Augen auf, bestimmt, weil er begriff, dass er mit mir endlich die Möglichkeit bekommen hatte, einen Freund zu finden. Er antwortete nicht gleich. Er antwortete überhaupt nicht. Aus dem stillen Korridor, in dem man viele Stunden zuvor meine Laura weggebracht hatte, kam eine Schwester, ruhig wie der Tod. Eigentlich durfte ich ja nicht einmal dort sein, aber was hätte es schon genützt, hätte ich die Nacht irgendwo anders verbracht? Wäre es nicht am besten gewesen, ich wäre auch gestorben? Ich presste das Gesicht an die Scheibe. Mein Auto stand unverändert da. Letzten Endes zeigte der Parkplatz eine erstaunliche Leistungsfähigkeit, er schaffte es, das Wasser abfließen zu lassen. Alles war nichts weiter als übermäßige Angst vor den natürlichsten Dingen des Lebens, und dabei wurde der Regen in dem Moment nicht einmal stärker. Es donnerte nicht einmal, und es geschah auch sonst nichts Größeres oder Merkwürdigeres, was bedeuten konnte, dass mich das Unwetter kannte, und ich drückte umso mehr das Gesicht an die Scheibe, damit ich fortgerissen, damit mein Körper oder wenigstens mein Bewusstsein auseinandergenommen würde. Der Regen, Senhor Silva, sagte der andere, kann Ihnen Dona Laura auch nicht zurückbringen, aber ich kann Ihnen sagen, dass die Seele eines Menschen, die in dem Augenblick fortgeht, da der Geliebte seine Liebe auf diese Weise bekundet, sehr schön sein muss. Ich verstand nicht gleich, was er sagen wollte. Ich stürzte zu Boden und verlor für eine Weile das Bewusstsein. Ich konnte ein Niemand sein, wie auch immer es um die Dinge unter solchen Umständen stehen sollte. Erst danach schrie ich und bekam sofort keine Luft mehr, denn diese Theorie, dass es Sauerstoff gibt, dass wir die Lunge benutzen und dass damit alles erledigt ist, die stimmt auch nicht hundertprozentig. Ich lag auf der Erde und wurde von Zuckungen geschüttelt, und die Hände des Mannes und der Frau, die mir dort beistanden, glichen genau den gezähnten Mäulern einer Bestie, die mich verschlingen wollte und auf allen Seiten in mein Wesen eindrang. Entsetzen packte mich, als wäre das Entsetzen etwas Körperliches und wäre allein meinetwegen hergekommen.

2 Das Weiß ist die Lehrzeit
für den endgültigen Zerfall

    Ich umarmte den Körper meiner Frau, hielt ihre Hand und legte ihren Kopf an meine Schulter. Ich schaukelte sie ein bisschen, als wollte ich sie in den Schlaf wiegen, oder wie jemanden, der weint und den wir trösten wollen. Alles wird gut, alles wird wieder gut. Was eigentlich unmöglich war, und etwas Unmögliches wird weder besser, noch lässt es sich berichtigen. Wir lehnten an der Wand, hinter den Gardinen, wie wir es als junge Leute getan hatten, wenn wir uns küssen und die Tollheiten von Verliebten anstellen wollten. Vor allen waren wir versteckt, ich und meine tote Frau, die nie wieder mit mir sprechen würde, so sehr ich sie in meiner Verzweiflung drängte, so sehr ich es brauchte, mit ihren Augen zu atmen, so notwendig es für mein Leben war, mit ihrem Lächeln zu atmen, ich und meine tote Frau, die nicht länger Rechtfertigung meines Lebens war und die mir, wenn sie mich so innig wie nur möglich umarmte, alles mit einem Mal gab. Und ich, unglaublich, überließ alles der Achtlosigkeit der Angst und schrie wieder los.
    Mit dem Tod müsste auch die Liebe augenblicklich enden, unser Herz müsste
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