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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis
Autoren: Philip Marsden
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Njemen . . . sieh doch nur . . .« Zofia schaute auf das ungestüm dahinwirbelnde Wasser. »Vielleicht ist ja vom Haus einfach nichts mehr übrig, wirklich gar nichts . . .«
    Ich ärgerte mich über ihre Nonchalance, über die Nonchalance des alten Dorfbewohners. »Irgend etwas muß dasein!« sagte ich. »Bist du sicher, daß du hier nichts wiedererkennst?«
    »Nur sehr vage . . . den Fluß . . .«
    »Was ist mit diesen Gebäuden?« Vor uns lagen einige niedrige landwirtschaftliche Gebäude.
    »Ganz entfernt . . .«
    Aber ich sah, daß sie neu waren. Möglicherweise hatte sie recht. Und möglicherweise machte es nichts. Vielleicht war es bloß Pedanterie meinerseits, das Bedürfnis, wenn schon nicht nach Mauern und Dach, so doch zumindest nach irgendwelchen Trümmern, nach einem Leichnam zu empfinden.
    »Warte mal.« Zofia lehnte sich nach vorn. »Das da muß die Ziegelei gewesen sein. Dann war das Haus irgendwo hier in der Nähe.«
    Wir fuhren durch den Hof einer Kolchose. Zwei Pappeln erhoben sich an einem Brunnen.
    »Nein, nein, hier ist es nicht richtig.« Zofia ließ sich zurückfallen. »Es ist alles so verändert.«
    Hinter der Kolchose unterbrach ein struppiger hoher Baum den Horizont. In Helenas Tagebüchern hatte auf dem Rasen vor dem Haus eine Lärche gestanden.
    »Die Lärche da, Zosia. Was meinst du?«
    Sie lehnte sich wieder vor. »Ich glaube, du könntest recht haben   – ja . . . ja, das ist sie!«
    Wir stiegen aus und gingen über einen grasbewachsenen Weg durch eine Obstwiese darauf zu. Die Lärche stand auf einer niedrigen Erhebung.
    »Das ist die Lärche!«
    »Wo ist dann das Haus?«
    »Dort!«
    Ich folgte ihrem Blick: der eine oder andere Busch, einige große Haselnußsträucher und darunter die kümmerlichen, grasüberwachsenen Reste irgendwelcher Mauern. Das war alles.
    Zofia legte eine Hand an die Wange. »Du meine Güte! Das arme Haus hat sich davongeschlichen!«
    Sie stieg auf die Trümmer, zog einen kleinen Plastikbeutel aus ihrer Manteltasche und füllte ihn mit Erde. »Um sie über meinen Sarg zu streuen«, erklärte sie und mußte plötzlich über sich selbst lachen, über die Bäume, die Absurdität des Ganzen, über den unfaßlichen Abstand zwischen ihren zwei Leben.

5.
    A n dem Tag
übernachteten wir in dem Städtchen Iwje. Am nächsten Morgen war es heiter und warm. Wir fuhren früh nach Mantuski zurück. Als wir die Straße hinuntergingen, sagte Zofia mit einem Blick auf die leuchtendgelb gestrichenen Häuser: »Gott sei Dank, daß ich gekommen bin! Was sind dies für wundervolle Tage!«
    Hinter uns hörten wir eine Pforte zufallen. »
Proszę
Pani! Pani Zośka!«
    Der Alte vom Vortag humpelte auf uns zu. »Proszę Pani, es tut mir leid. Es tut mir leid wegen gestern.«
    »Aber das macht doch nichts. Ehrlich.«
    »Es war nur, daß ich betrunken war. Ich wollte Ihnen das hier geben. Ich habe es die ganze Zeit aufgehoben.« Er hielt ihr ein altes Silbermesser hin. Es war gebrochen. »Vom
dwór
, Pani Zośka. Ich habe es beim
dwór
gefunden. Und für Sie aufgehoben.«
    Sie lächelte. »Bitte behalten Sie es.«
    Er deutete die Straße hinunter. »Pani Wala möchte Sie sehen, da unten hinter der Schule.«
    »Pani Wala   – die Näherin?«
    Der alte Mann nickte. »Hinter der Schule!«
    Wir gingen weiter.
    »Ja, ich erinnere mich an Wala«, sagte Zofia. Sie stammte von einem Findelkind ab. Ihre Großmutter war ausgesetzt und von Zofias Großmutter aufgenommen worden.
    Wir fanden ihr Haus. Zwerghühner flohen trippelndaus dem Hof. Ich klopfte an die Tür. Eine alte Frau in einem sonnenblumenbedruckten Kittel erschien. Sie sah Zofia und brach in Tränen aus.
    Zofia nahm ihre Hand, und sie setzten sich auf eine Bank in der Sonne.
    Pani Wala konnte es nicht glauben. »Pani Zofia . . . dies ist eine Vision, ich habe eine Erscheinung . . .«
    Zofia redete ein, zwei Minuten mit ihr, dann fragte sie nach dem Haus.
    ». . . Ja, sie haben das Haus niedergebrannt, sie haben Kleider, Wäsche, Vorhänge, alles herausgeholt und es dann angezündet.«
    »Wer?« fragte Zofia.
    Sie schüttelte den Kopf. Dies alles war zu viel für sie. Sie sah Zofia an und wiegte den Kopf hin und her. »Oioioi, Pani Zofia, das ist wie ein Traum, daß Sie da sind . . . so viele Dinge sind geschehen, so viele sind geboren, so viele gestorben . . . die Berge können nicht zueinander kommen, aber die Menschen werden einander wiedersehen . . .«
    Zofia wiederholte ihre Frage nach dem Haus.
    »Partisanen, die Partisanen
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