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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Autoren: Kimberley Wilkins
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auf.
    »Verstehst du mich?«, fragt er noch einmal.
    »Ja. Ja, Matthew.«
    Er deutet zur Tür, bevor er kurz nickt. Dann begibt er sich zur Hintertür der Sägemühle. Sie ist abgeschlossen. Er nimmt ein Metallstück vom Boden und hebelt sie damit auf. Sie gibt nach.
    Matthew dreht sich um und zeigt noch einmal auf die Tür. Sie prägt sich sein Gesicht ein und wendet sich ab.
    Sie bleibt in dem dunklen Durchgang zwischen Sägemühle und Lagerhaus stehen und schaut um die Ecke. Die Gaslaternen an der Anlegestelle brennen inzwischen. Nur zwei Leute eilen zum Landungssteg. Percy in seiner gelben Weste steht genau davor, die Augen auf die Straße gerichtet.
    Dann hört sie, wie jemand ihren Namen ruft.
    »Isabella! Komm schon, Isabella! Der Dampfer legt gleich ab!«
    Zuerst ist sie verwirrt, weil es Matthews Stimme ist. Er ruft sie von der Straße aus, hat ihr den Rücken zugewandt, als wäre sie irgendwo da draußen. Blitzartig kommt ihr der Gedanke, dass das Schlangengift seinen Verstand angegriffen hat, doch dann erwacht sie zum Leben und rennt in Richtung Straße. Sie weiß, was sie zu tun hat.
    Sie berührt einmal ihren Bauch. »Komm, Kleines.« Sie eilt über den Laufsteg und hält ihre Fahrkarte hoch.
    »Nach unten in den Salon, Ma‘am«, sagt der Bootsmann.
    »Es kommt noch ein Herr. Ein großer Herr mit einem Bart. Hier ist seine Fahrkarte.« Sie zeigt sie vor. »Er wird kommen. Ich weiß …« Die Hoffnungslosigkeit schnürt ihr die Kehle zu.
    »Ich halte Ausschau nach ihm, Ma‘am. Machen Sie es sich bequem.«
    Sie kann nicht hier draußen auf ihn warten, Percy könnte sie entdecken. Sie geht mit ihrem Koffer die Treppe hinunter zu den Kojen. Dort verstaut sie ihn an einem Ende, setzt sich aufs Bett und wartet mit offenen Augen, hofft das Beste, fürchtet aber das Schlimmste.
    ***
    Isabella kann ihr Herz klopfen hören. Poch, poch, poch. Es ist sehr still in der Koje. Die Geräusche des Dampfers, die Stimmen aus dem Salon, alles gedämpft durch Bettzeug und Vorhänge.
    Poch, poch, poch.
    Hat er es geschafft? Falls ja, müsste er doch schon hier sein.
    Poch, poch, poch.
    Tief in ihrem Inneren erklingt ein anderer Herzschlag. Matthews Kind. Wenn es aufwächst, wird es alles über seinen Vater erfahren, sie wird es die Werte lehren, die Matthew so wichtig sind: Treue, Geduld, Weisheit. Sie unterdrückt die Tränen. Sie hat immer gewusst, dass sie ihn verlieren wird.
    Mit einem Ruck setzt sich der Dampfer in Bewegung. Sie keucht und schließt die Augen. Sie ist unterwegs. Nach Brisbane und von dort aus nach Sydney. Von Sydney nach New York. Die langen, offenen Meilen. Allein.
    Dann hört sie Schritte. Sie spannt alle Muskeln an. Matthew? Percy? Sie drängt sich in die Ecke ihrer Koje.
    Dann eine leise Stimme: »Isabella?«
    Sie setzt sich auf und stößt sich den Kopf. »Matthew?« Sie schiebt den Vorhang beiseite, und da ist er, hinkend, aber greifbar und wirklich.
    Sie streckt die Arme aus und zieht ihn fest an sich.
    »Ich muss mich hinlegen«, keucht er.
    »Natürlich, natürlich. Hier ist deine Koje.«
    Er legt sich hin, während sie sich um ihn herum zu schaffen macht. Vor Erleichterung hat sie weiche Knie. Er schließt die Augen.
    »Was ist passiert?«
    »Ich habe einen Baumstamm nach ihm geworfen. Als ich an Bord rannte, lag Percy noch hinter einem der Lagerhäuser auf dem Boden.« Er stöhnt leise. »Ich muss mich ausruhen. Die Wunde tut weh.«
    »Ich hole den Schiffsarzt.«
    Doch er ergreift sanft ihr Handgelenk und zieht sie zu sich. »Nicht jetzt. Bald. Halte mich noch einen Augenblick fest.«
    Also beugt sie sich über ihn, versinkt in ihm, drückt ihr Gesicht an seinen Hals. Sie kann seinen Herzschlag hören.
    Seinen und ihren Herzschlag und den winzigen, unhörbaren, der sie bis zu ihrem Tod verbinden wird.
    Der Fluss gleitet unter ihnen dahin und trägt sie in die Zukunft.

    Als Percy schließlich auf die Füße kommt, tut sein Kopf weh. Furchtbar weh. Sein Gehirn fühlt sich an, als würde es sich heiß gegen seinen zu engen Schädel pressen. Sind sie auf dem Boot? Oder in die Stadt gelaufen? Er versucht, dem Dampfer hinterherzuschauen, doch ihm verschwimmt alles vor den Augen, er sieht doppelt. Er kann nicht klar denken. Der Schmerz brennt in allen Gehirnwindungen. Er muss sich hinlegen, damit er nachdenken und die nächsten Schritte planen kann. Er stolpert von der Anlegestelle weg, umklammert seinen Schädel. Sein Körper schmerzt und ist bleischwer, als laste das Jüngste Gericht auf
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