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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
Autoren: Monica McInerney
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nachdem Du uns verlassen hast, so oft gefragt, ob ich jemals wieder Glück empfinden könnte, doch ich bin dem gerade wieder sehr nahe. Deine Mutter hat mir so gefehlt, Felix. Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben. Aber wir waren beide so von Trauer und Schmerz erfüllt, dass wir eine Weile getrennt sein mussten. Ich hatte immer gehofft, dass wir eines Tages wieder zueinanderfinden würden, nachdem wir, jeder für uns, nachgedacht und getrauert hatten.
    Wir machen Urlaub in Barcelona, einer wunderschönen Stadt mit einer großartigen Architektur. Ich habe Deiner Mum schon beigebracht, wie man Tapas bestellt und nach dem Weg fragt. Es geht ganz gut, solange ihr niemand, wie sie selbst sagt, auf Spanisch antwortet. Deshalb will sie mich immer in ihrer Nähe wissen. Was mir sehr recht ist. Ich habe ihr auf dieser Reise auch schon ein wenig Französisch beigebracht. Wir waren – auf dem Weg nach Spanien – ein Wochenende in Frankreich, im Süden, bei Deiner Oma und Walter und Deiner Ess. Sie filmen dort Omas Fernsehshow. Deine Mum und ich haben einen Tag lang zugesehen. Unter uns gesagt, Felix, Deine Oma ist eine entsetzliche Köchin. Sie hat sich an einer traditionellen französischen Fischsuppe versucht, und ich wage zu behaupten, dass ich nicht der Einzige war, den das Ergebnis an dreckiges Spülwasser erinnert hat. Aber sie hat währenddessen furchtbar viel gelacht und sogar versucht, ein wenig Französisch zu sprechen, und irgendwann hat die ganze Crew gelacht, ganz zu schweigen von den armen, verstörten Franzosen, die das alles fassungslos mit angesehen haben. Jess, entschuldige, Ess ist dann dazugekommen und hat sich ebenfalls am Französischen wie auch am Kochen versucht. Ich muss leider sagen, dass sie auf dem Gebiet nach ihrer Mutter gerät. Als Comedy-Duo sind sie großartig. Nur will man nicht essen, was sie auftischen. Im Anschluss geht es zum Filmen nach Deutschland – Walter freut sich sehr – und dann nach England. Deine Oma ist schon ganz wild darauf, Würstchen in Yorkshirepudding zu kochen, oder vielmehr, es zu versuchen. Leider kann ich mir schon jetzt vorstellen, welche Witze sie dabei reißen wird.
    Ich bleibe mit Deiner Mum eine Woche lang in Spanien, dann heißt es, zurück nach Washington. Uns gefällt das Leben dort. Washington ist eine schöne, interessante Stadt, und auch mein Job ist spannend. Letzte Woche musste ich einen Text über die Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf die Echsenpopulation in der Nevada-Wüste übersetzen, und das vom amerikanischen Englisch ins Spanische, Deutsche und Französische. (Glaub mir, ich bin jetzt Echsen-Experte.) Deine Mum arbeitet wieder als Redakteurin für einen Verlag, für den sie schon in Australien gearbeitet hat. Es ist schon eine erstaunliche Welt, Felix – sie redigiert nämlich direkt am Bildschirm und sitzt nicht mehr wie früher zwischen Stapeln von Papier. Wenn Du noch bei uns wärst und bald zur Schule gehen würdest, wärst Du mit dem Computer sicher schon vertraut, Du fändest das wahrscheinlich alles selbstverständlich, aber für so alte Gewächse wie uns ist das alles ganz unfasslich.
    Wir haben Juni, das Wetter ist großartig, warm, aber nicht zu heiß. Die alten Steinhäuser hier leuchten in der Sonne. Die Spanier lieben ihre Kinder ebenso sehr wie die Iren und die Australier – in den Restaurants sehen wir fast nur Familien. Wir denken natürlich die ganze Zeit an Dich und wünschten, Du wärst bei uns. Aber das weißt Du. Das wird sich niemals ändern.
    Ich stelle mir gern vor, Felix, dass Du ein Auge auf uns hast, wo wir auch sind. Wenn wir an Dich denken, lächeln wir dabei ebenso häufig, wie wir weinen. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag einmal kommen würde. An manchen Tagen ist es immer noch sehr schwer. Aber Deine Mum und ich reden ständig über Dich, und das hilft.
    Wir planen auch schon bald die nächste Reise, allerdings nicht so weit wie Spanien, sondern nur ein paar Stunden nach Boston, zu Deinem Onkel Charlie und zu Tante Lucy und Deinen Cousins und Cousinen. Auch ihnen fehlst Du. Deine Mum spricht mit ihnen sehr oft über Skype, und sie sagt, es wird sie völlig überraschen, wenn die Kinder in wahrer Größe vor ihr stehen, weil sie alle nur noch in Bildschirmformat kennt.
    Felix, wir vermissen Dich unentwegt. Aber wir haben uns verändert. Wir alle. So wie uns Deine Ankunft verändert hat, so hat uns auch Dein Fortgang verändert. Doch wir lernen, ohne Dich zu leben. Deine Mum lacht wieder. Ich
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