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das gutenberg-komplott

das gutenberg-komplott

Titel: das gutenberg-komplott
Autoren: born
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den Balken entfernte und sie den Hof stürmten, konnte nichts mehr schief gehen. Warum hörte er nichts? – Dann endlich das Marienlied!
    Der Richter war irgendwo im Haus, Gutenberg am anderen Ende des Hofs.

42.
     
    G
    utenberg lebte standesgemäß, und die Einrichtung des Woh n hauses entsprach seiner Herkunft. Im ersten Stock warf Thomas einen Blick in die zur Straße gelegenen Räume, überzeugte sich davon, dass keines der Fenster au f gebrochen war. Dann kontrollierte er die gegenübe r liegenden, dem Hof zugewandten Zi m mer. Gutenbergs Zimmer lagen zum Hof hin, sie wirkten aufgeräumt und ordentlich, ähnlich wie die Wer k statt. Es gab einen Schlafraum, einen Arbeitsraum und eine Bibliothek. Ma n ches Kloster hätte Gutenberg um seine Schätze beneidet, denn alle Wände waren bis zur Decke mit Büchern g e füllt.
    Thomas hatte keine Zeit, trotzdem konnte er seine Neugierde nicht unterdrücken und ließ kurz den Blick über die Reihen schweifen. Hier waren die wichtigsten Werke der abendländ i schen Kultur und Bildung versammelt. In den meisten Fällen standen Titel auf den Buchrücken, teils eingraviert, teils han d schriftlich vermerkt: Viel Theologisches, Augustinus, Thomas von Aquin, Roger Bacon, Beda, Andachtsbücher, ein Missale, aber auch die Legenda aurea; juristische und medizinische Schriften; antike Literatur, Horaz, Cicero, Ovid; französische Texte, der Parceval, der Roman de la Rose; und Deutschspr a chiges, vorwiegend Ritterromane. Zwei mächtige Fenster sor g ten bei Tag für gute Lichtverhältnisse. Ob Gutenberg überhaupt noch Zeit fand zum Studium seiner Bücher? Früher musste er unmäßig viel gelesen haben.
    Thomas schaute aus dem Fenster. Der Himmel über Mainz war dunkel, das Feuer am Markt erloschen. Gerade zerrissen Windstöße die geschlossene Wolkendecke, und ein paar Sterne funkelten auf. Der Hof, auf den er hinunterschaute, war eine Fläche aus Grau- und Schwarztönen. Die Gebäude umrahmten den Hof wie ein dunkles Gebirge. Einen kreisförmigen Flecken etwa in der Mitte des Hofs deutete Thomas als Brunnen. A u ßerdem sah er ein schwaches Licht am anderen Ende des G e bäud e trakts; das musste Gutenberg mit seiner Fackel sein.
    Thomas glaubte in der Nähe des Brunnens eine Bewegung zu sehen. Gab es hier Hunde oder Katzen? Gleichzeitig hörte er von der Straße ein Marienlied, und Männerstimmen sangen (mehr schlecht als recht): »Reine Magd, Lilie meines Herzens!« Ein Pferd wieherte. Was hatte ein Pferd um diese Zeit vor dem Hof zu suchen? Der Schatten beim Brunnen veränderte sich und wuchs an zur Silhouette eines Mannes. Thomas begriff, dass sich jemand dort versteckt hatte und auf das Hoftor zubewegte. Der Fremde blieb stehen. Wahrscheinlich drehte er sich um, schaute nach hinten, hatte vielleicht Angst, von Gutenberg b e merkt zu werden. Und dann ging er wieder auf das Hoftor zu, langsam, denn der Boden war rutschig.
    Thomas überschlug blitzartig seine Chancen. Selbst wenn er sofort losrannte, den Gang entlang, die Treppe hinunter, würde er zu spät kommen; der Weg war lang, und dem Gegner reic h ten wenige Schritte, das Hoftor zu erreichen und es für seine Gefährten zu öffnen. Thomas schaute sich panisch im Raum um. Er wusste nicht, wonach er suchte.
    Sein Blick fiel auf Gutenbergs Arbeitspult. Dort lag aufg e schlagen ein mächtiger Foliant. Er sah die Eisenbeschläge, die an den Kanten des Buchs den Ledereinband vor Abnutzung schützten. Er klappte das Buch zu und verband den vorderen und hinteren Einbanddeckel mit Metallschließen. Der Band wog schwerer als ein Stein.
    Thomas steckte seine Fackel in eine Halterung am Schrei b pult, die eigentlich für Tintenhörner gedacht war. Er hatte den Hof aus dem Blick verloren. War der andere schon beim Tor? Das Buch unter den linken Arm geklemmt, eilte Thomas zum Fenster und riss es weit auf. Er schaute hinunter und erstarrte. Direkt unter ihm, wenige Schritte vom Haus entfernt, bewegte sich kein undefinierbarer Schatten mehr. In seiner Bewegung wie eingefroren, die Arme seitlich von sich gestreckt, stand dort ein Mann. Er schaute zu Thomas hinauf, der am geöffneten Fenster erschien, das Licht der Fackel im Rücken. Ein schw a cher Schimmer reichte bis in den Hof, und es war, als ob dort unten zwei Augen aufleuchteten.
    Direkt vorm Hoftor sang man: »Fürstin des Himmels, erbarm dich unser …«
    Der Mann erwachte aus seiner Starre. Er rannte los. Nur w e nige Schritte trennten ihn vom Tor. Thomas beugte sich nach
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