Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
das gutenberg-komplott

das gutenberg-komplott

Titel: das gutenberg-komplott
Autoren: born
Vom Netzwerk:
als er, sogar von Flugmaschinen hatte er geschwärmt. War Gute n berg auch zäher und beharrlicher? Henning fing schnell Feuer, aber fast ebenso schnell ließ die Begeisterung wieder nach. Er wusste um diese Schwäche. Trotzdem war es das nicht allein. Henning beherrschte mehrere Handwerke, er kannte sich mit Metallen aus, war neugierig und konnte, ähnlich wie Gute n berg, Zusammenhänge schnell erfassen. Aber Gutenberg dachte a n ders! Nicht nur anders als er, Henning, sondern anders als alle Menschen, die Henning kannte. Das ließ sich nicht lernen. Auch Hennings Frau hatte Gutenberg bewundert!
    Die Erinnerung daran war schmerzlich. Hatte sie ein Ve r hältnis mit ihm gehabt? Er hatte es nie herausgefunden. Seine Eifersucht hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Verrückt auch, dass die alte Wunde nicht heilen wollte. Nach so vielen Jahren.
    Wenn seine Frau ihn mit Gutenberg verglich: Musste er dann nicht als Versager dastehen? Natürlich stellte sie solche Ve r gleiche an! Er wusste es, auch wenn sie es nicht zugab. Seine Frau, die er über alles geliebt hatte! Und der er selbst heute noch imponieren wollte. Ließ er sich nicht zuletzt ihretwegen auf das Geschäft mit Bologna ein? Um ihr zu beweisen, dass er nicht der Versager war, für den sie ihn hielt? Aus ihrer u r sprünglichen Liebe war im Lauf der Jahre etwas geworden, für das er kein passendes Wort wusste. Es gab einen geheimen Wettkampf zwischen ihnen, und dieser Kampf war noch nicht entschieden. Das war sein eigentlicher Antrieb.
    In der Werkstatt sprach Gutenberg immer noch vom Schrif t bild, von Harmonie und von Schönheit; aber Henning hatte jetzt lange genug zugehört, und es war Zeit, dass er sich wieder se i ner Aufgabe erinnerte. Er musste zum Hofeingang.
    Er setzte seinen Weg fort. Mehrmals rutschte er aus. Das dunkle Viereck der Gebäude um ihn herum, das sich verengte, hatte etwas Beängstigendes. Er kam sich für einen Moment wie gefangen vor. Aber diesem Gefühl durfte er keinen Raum g e ben.
    Die Dunkelheit wurde dichter, weil er das Wohngebäude e r reichte, an dem er sich entlangtastete. Sein Orientierungssinn hatte ihn nicht getäuscht: Die Einbuchtung, die nun kam, führte zum großen Holztor. Er fuhr mit beiden Händen über die dicken Bretter. Er spürte einen Schmerz im Zeigefinger. Ein Splitter! Aber solche Kleinigkeiten spielten jetzt keine Rolle. Etwa in Brusthöhe fanden seine Hände den mächtigen Querriegel. Der Balken ließ sich mühelos aus seiner Verankerung lösen. Kein Schloss, nichts. Henning schüttelte ungläubig den Kopf.
     
    Gutenberg schob seine Pelzmütze in die Stirn und stand bei der Tür, aber weil sie über sein Lieblingsthema sprachen, z ö gerte er den Rundgang hinaus.
    »Die Bibel ist ein besonderes Buch«, sagte er. »Ich bin kein Kleriker, und ich führe alles andere als ein frommes Leben – was die Pfaffen zum Glück nicht wissen. Trotzdem bin ich auf meine Art ein gläubiger Mensch. Das Alte Testament enthüllt in meinen Augen die vielen dunklen Seiten der menschlichen Se e le. Das Neue Testament aber weist uns den Weg der Liebe, die vom Gesetz und seinen Zwängen befreit. Wer kennt schon die Botschaft im Original? Viele Pfaffen sind dermaßen ungebildet, dass mir die Haare zu Berge stehen. Aber es gibt zum Glück auch gebildete Kleriker, die gern die vollständige Schrift lesen möchten, und sie sollen meine Bibeln kaufen, in der latein i schen Übersetzung des Hieronymus. – Aber später einmal, s o fern es der Himmel will, werde ich die Bibel ins Volk tragen. Jeder soll sie lesen können und dort die Wahrheit fi n den. Jeder soll sich ein Bild machen von den Worten, die unser Leben pr ä gen. Ich will die Menschen aus ihrer Unmündigkeit befreien. Ich habe eine Vision, deren Kühnheit mich ängstigt: Ich will die deutsche Bibel!«
    »Das wird die Kirche niemals zulassen!«, sagte Thomas. Was Gutenberg sich wünschte, war zu schön, um jemals wahr zu werden. »Sie wird jeden verfolgen – wahrscheinlich als Ke t zer töten –, der ihr Glaubensmonopol angreift.«
    »Wer sagt das? Man muss es nur geschickt anfangen. Mit Diplomatie!«
    »Diplomatie!? Wenn ich an Hus denke!«
    »Die Kirche kann sich nicht ewig gegen Reformen sperren«, sagte Gutenberg. »Außerdem gibt es bereits deutsche Bibeln. Seit Jahrhunderten. Aber weil der lateinische Text als heilig gilt, haben die Übersetzer nicht den Mut zu einer freien Übe r tragung. Sie übersetzen Wort für Wort. So kommt es zu schwer verständlichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher