Das große Buch vom Räuber Grapsch
durchgehen lassen. Und so ertönte an einem heiteren Sommernachmittag - die Omas Ata und Lisbeth spielten mit Olli und Kasimir Karten, und Grapsch war in das zerlöcherte „Pippi-Langstrumpf"-Buch vertieft - erst Oma Atas tiefe Stimme: „Leute, mich juckt's in der linken Kniekehle, heute passiert noch was ..." Und kurz danach Sirenengeheul jenseits des Sumpfes.
Und schon schallte es wieder einmal herüber: „Räuber Grapsch, ergeben Sie sich! Sie haben keine Chance. Kommen Sie mit erhobenen Händen über den Sumpf!"
„Das hast du jetzt davon!", schimpfte Olli. „Es war alles so friedlich, und jetzt das. Als ob Bücher so einen Ärger wert wären!" Aber Grapsch war so vertieft in „Pippi Langstrumpf", dass er weder die Polizeisirenen noch Ollis Gezeter hörte. Er blieb sitzen und rührte sich nicht.
„Kenn ich", dröhnte Oma Ata und deutete mit ihrem Kinn über den Sumpf. „Gab's damals schon, alle Jahre wieder." Sie legte ihre Karten umgekehrt auf den Tisch und sagte: „Das werden wir gleich haben. Jumbo!"
Gehorsam kam der Elefant aus dem Wald getrottet. Als Oma Ata auf die Erde zeigte, ließ er sich nieder. Sie schwang ein Bein, raffte ihr Kleid und stieg auf seinen Rücken. Jumbo erhob sich wieder und öffnete auf ihren Befehl mit seinem Rüssel das Gattertor der Löwen. Die spazierten gähnend heraus, dehnten sich und trotteten dann hinter dem Elefanten her in Richtung Sumpf. Aus allen Richtungen liefen die Grapsch-Töchter zusammen und gafften. „Nimm uns mit, Oma Ata!", riefen sie. Aber Oma Ata winkte ab. Diesmal nicht. Und Oma Lisbeth rannte und rettete die frisch gewaschene Wäsche von der Leine. Man konnte ja nie wissen. Der Elefant! Die Löwen! Die Polizisten! Ja, die Polizisten: Sie waren gerade eifrig damit beschäftigt, die Zirkuswagen zu umstellen, zu durchsuchen und an ihnen herumzurätseln, als der Elefant mit den drei Löwen über dem Sumpf erschien. Hauptmann Stolzenrück ließ entgeistert das Sprachrohr sinken und begann zu zittern. „Ich glaub, ich seh Gespenster", flüsterte er. „Zeus, Zorro, Zampano!", schmetterte Oma Ata, dass es nur so über die Sümpfe hallte. „Futter für euch!"
Sie brauchte nur bis zur Mitte des Sumpfes zu reiten, da verklang das Sirenengeheul schon in der Ferne.
Oma Ata kehrte zufrieden um, stieg ab, scheuchte mit ein paar herzlichen Klapsen den Elefanten in den Wald und die drei Löwen in die Höhle, nahm ihre Karten wieder auf, spielte weiter und gewann.
Grapsch aber hatte von all dem nichts mitgekriegt. Er las. „Oma Ata", jubelten die Kinder, „du bist eine echte Heldengroßmutter!"
„Ja, wirklich", sagte Olli. „Wenn's Probleme gibt, reitest du einfach auf deinem Jumbo darauf los. Und du wirst mit ihnen fertig."
„Sogar mit Pleiten", meinte Oma Ata und lachte schallend. „Übrigens werde ich bald wieder reiten. Nämlich auf und davon."
„Du willst uns doch nicht verlassen, Oma Ata?", rief Olli bestürzt. Oma Lisbeth rang die Hände, und alle neun Kinder fingen kläglich an zu weinen.
„Wer spricht denn von Verlassen?", schallte Oma Ata. „Der Zirkus ist wieder betriebsbereit. So gute Nummern hatte er noch nie. Und ich muss euch gestehen, dass ich wieder mal für eine Weile genug hab von Waldheimat, Höhlenmief und flatternder Wäsche an der Leine. Mich zieht's fort. Kasimir, noch heute schreibst du mir ZIRKUS GRAPSCH auf die Wagen. Auf beide Seiten!"
„Aber wenn der Zirkus GRAPSCH heißt", rief Quarlca, „dann gehören wir doch auch dazu!"
„Natürlich", meinte Oma Ata. „Alle Grapsche kommen mit. Ihr seid doch die Nummern im Programm."
Die Kinder kreischten vor Vergnügen. „Und Papa auch und Mama auch und Oma Lisbeth auch?"
„Alle, hab ich gesagt. Jeder, der will. Kinder, das wird ein Unternehmen, so was hat die Welt noch nicht gesehen!"
„Ich könnte vielleicht die Zirkuskasse übernehmen", meinte Oma Lisbeth. „Rechnen kann ich."
Olli atmete tief, tief ein, und dann sagte sie mit zitternder Stimme: „Aus deinem Plan wird nichts, Oma Ata. Oma Lisbeth kann machen, was sie will, aber Tassilo, die Kinder und ich bleiben hier, denn hier ist das Grapschheim, hier ist unser Zuhause." Die Kinder fingen an zu schluchzen. Oma Ata aber erhob sich in ihrer ganzen Länge und Breite, wallte hinüber zu dem lesenden Grapsch, nahm ihm das Buch aus den Händen und warf es ins Gras. Noch ehe er wusste, wie ihm geschah, setzte sie sich neben ihn, zog ihn auf ihren Schoß und sagte: „Morgen will ich wieder fort, mein Kleiner. Wieder
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