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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst
Autoren: Anselm Grün
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ich mich sehne, das ist schon in mir. Wenn ich stehen bleibe und nach innen höre, finde ich schon alles in mir. Das ist die
     tiefste Wahrheit meines Lebens: Gott ist in mir. Und damit ist alles, wonach ich mich sehne, in meinem Herzen. Es geht darum, vor dieser Wahrheit nicht
     davonzulaufen, sondern innezuhalten und sich ihr zu stellen. So paradox es klingt: Dieses Innehalten ist die Voraussetzung für jeden menschlichen und
     geistlichen Fortschritt.
Ein Raum in mir
    J ammern ist heute an der Tagesordnung. Da beklagt sich der eine darüber, wie viel Arbeit man hat, der
     andere, wie man nicht mehr zurechtkommt mit den Erwartungen der anderen, und wieder ein anderer spricht davon, wie er sich allein gelassen fühlt, in dem,
     was er vorhat und leistet.
    Der Alltag gibt sicher zu vielen Klagen Anlass. Aber wir sind doch mehr als nur Pflichterfüller oder Krisenmanager oder Konfliktlöser. Wir haben in uns
     einen Raum, zu dem die alltäglichen Probleme keinen Zutritt haben, in dem wir aufatmen können, weil Gott selbst uns darin befreit von der Macht der
     Menschen und von der Macht des eigenen Über-Ichs, von der Macht der Selbstbeschuldigungen und Selbstvorwürfe. In diesem Raum kann ich die Erfahrung
     machen: Ich habe Fehler, aber ich bin nicht meine Fehler. Ich habe Schuld, aber ich bin nicht meine Schuld. In diesem Raum wird all das, was mir zu
     schaffen macht, relativiert. Es hat keine letzte Macht über mich. Dieser Raum ist frei von Wut und Angst, frei von Enttäuschungen und Selbstvorwürfen. Ich
     kann zu allem, was in mir ist, ja sagen. Ich muss in diesem Raum meine Schwächen nicht mehr bekämpfen und besiegen und mir dabei den Kopf wundstoßen. Ich
     weiß, dass in diesem Raum nichts über mich Macht hat. Weil ich dort schon heil und ganz bin, darf ich sanft und gut mit mir umgehen.
Erkenne Dich selbst
    W as nützt es uns, zum Mond reisen zu können, wenn es uns nicht gelingt, den Abgrund zu überwinden, der
     uns von uns selbst trennt? Dies ist die wichtigste aller Entdeckungsreisen; ohne sie sind alle anderen nicht nur nutzlos, sondern zerstörerisch.« Der
     Trappist und geistliche Schriftsteller Thomas Merton hat diese Warnung formuliert, unmittelbar nachdem die erste Landung eines Menschen auf dem Mond die
     Welt in Bann schlug und optimistische technische Utopien die Phantasie ins scheinbar Grenzenlose beflügelten.
    Das liegt Jahrzehnte zurück – und ist so wahr wie damals: Neulich erzählte mir eine Frau von ihrem ehemaligen Freund, der ein erfolgreicher
     Unternehmer ist, aber sie als Frau verlassen hat, als sie von ihm schwanger wurde. Von vielen wird dieser Mann bewundert. Doch er merkt gar nicht, wie er
     Frauen behandelt, sobald sie sein Image ankratzen. Da spürt man, wie weit er von sich selbst entfernt ist. In seinem Beruf verfolgt er ehrgeizige
     Projekte. Er bewegt die halbe Welt. Doch den Weg zu sich selbst findet er nicht. Er ist nicht in Berührung mit seiner schwachen Seite, die er durch
     erfolgreiche Aktionen nach außen zudecken muss. Solange er nicht den Abgrund überwunden hat, der ihn von seinem wahren Selbst trennt, wird von ihm nie
     wirklicher Segen ausgehen. Er wird immer wieder Menschen verletzen. Er muss andere klein machen, um an seine Größe glauben zu können. Er muss
     »Bewunderungszwerge« um sich sammeln, wie der Münchner Therapeut Albert Görres es einmal formuliert hat. Doch alles, was ihm helfen könnte, das eigene
     Selbst zu erkennen, lehnt er ab. So wird sein Tun, auch wenn es auf den ersten Blick noch so erfolgreich ist, immer wieder Menschen zerstören und
     letztlich auch keinen Segen bringen für diese Welt.
Überschätz dich nicht
    A lle Religionsstifter und die großen Weisheitslehrer aller spirituellen Traditionen der Menschheit zeigen
     uns ähnliche Wege wahrer Lebenskunst. Ihre Weisheit hat eine gemeinsame Quelle, aus der alle Menschen, alle Kulturen und Religionen schöpfen. »Drei Dinge
     im Leben sind zerstörerisch: Zorn, Gier und Selbstüberschätzung.« Diese Einsicht hat Mohammed formuliert. Sie ist heute so aktuell wie vor nahezu
     eineinhalb tausend Jahren. Und sie findet ihre Entsprechung in der Psychologie christlicher Mönchsväter, die noch vor Mohammed lebten.
    Die drei Dinge, die Mohammed als Lebenszerstörer versteht, entsprechen den drei Bereichen, aus denen die neun Laster entspringen, die Evagrius
     Ponticus, der wohl bedeutendste christliche Mönchsschriftsteller, im vierten Jahrhundert beschrieben hat. Evagrius
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