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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst
Autoren: Anselm Grün
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einem
     der einflussreichsten Psychiater des letzten Jahrhunderts werden lassen.
Sei gut zu dir
    S ei gut zu dir selber, das heißt in erster Linie: Geh barmherzig mit dir um. Gut zu mir sein bedeutet
     nämlich: mit mir selbst zu fühlen. Es heißt, mich dem verletzten Kind in mir verbunden zu fühlen und Mitleid mit ihm zu haben. Auf die eigenen inneren
     Wunden mit dem mitfühlenden Blick des Herzens zu sehen, mit der Zuwendung eines herzlichen Mitgefühls zu reagieren. Nicht gegen meine eigenen Schwächen zu
     wüten, sondern sich ihnen liebevoll zuzuwenden und mit ihnen zu fühlen. Nur unter einem zärtlichen Blick wird sich ihre Armseligkeit wandeln. Gut zu sich
     zu sein meint also nichts anderes, als mein eigenes Herz zu öffnen gegenüber dem, was in mir unglücklich und einsam ist. Wenn ich die Kunst lerne, mit dem
     Armseligen in mir herzlich und barmherzig umzugehen, kann gerade dieses Armselige zu einer Quelle des Segens – und einer Quelle tieferen Glücks
     werden.
    Gut zu sich selber sein, das heißt nicht, sich immer und überall zu entschuldigen und seine eigenen Fehler nicht zu sehen. Aber auch nicht das
     Gegenteil: Es tut keinem gut, sich immer nur selber zu beschuldigen, sich in Schuldgefühlen zu zerfleischen und an sich immer nur das Schlechte zu
     entdecken.
    Lerne zu akzeptieren, dass du kein Held bist. Lass dich nicht lähmen durch deine Fehler und Schwächen. Schau sie an, verdränge sie nicht, akzeptiere,
     dass du fehlbar bist – und arbeite an deinen Schwächen. Aber verbeiße dich nicht in sie. Lass sie los. Wenn Gott dir vergibt, darfst auch du dir
     vergeben. Sei barmherzig mit dir selber.

Es lohnt sich,
die Tage zu leben
    Nimm dir Zeit –
gib deiner Seele Atem

Alles hat seine Zeit
    I hr habt die Uhren, wir haben die Zeit.« Ein alter Indianer soll dies einem forschen weißen Geschäftsmann
zur Antwort gegeben haben. Hinter dieser Antwort steckt eine tiefe Einsicht darüber, wie wir mit den Anforderungen und den Möglichkeiten des Lebens
umgehen. Und es wird auch deutlich, wie sehr ein mechanisches und ein spirituelles Verständnis von Zeit gegeneinander stehen.
    Die Griechen unterscheiden zwischen chronos und kairos. Chronos ist die messbare Zeit. Nicht umsonst sprechen wir vom Chronometer, vom
Zeitmesser. Im Westen unterwerfen wir uns der messbaren Zeit. Wir machen minutengenaue Termine aus, schauen ständig auf die Uhr, ob der andere seinen
Termin auch pünktlich wahrnimmt, ob wir selbst auch zur vereinbarten Zeit eintreffen. Alles muss in einer ganz bestimmten Zeit bewältigt werden. Die
messbare Zeit zwingt uns, unser Leben in ein enges Korsett zu zwängen. Der Gott des Chronos ist ein Tyrann.
    Die Indianer huldigen eher dem Gott Kairos. Kairos ist der günstige Augenblick, die willkommene Zeit. Während chronos die quantitative Zeit
meint, bezeichnet kairos eine besondere Qualität der Zeit. Es ist der zu ergreifende Augenblick, auf den ich mich einlasse, in dem ich ganz da
bin. Die Indianer verstehen unter Zeit offensichtlich den rechten Augenblick. Sie lassen sich Zeit. Sie genießen die Zeit. Sie erfahren die Zeit. Wer
sich dem Diktat des Chronos unterwirft, der erfährt die Zeit nicht als etwas Willkommenes und Wohltuendes, sondern als Tyrannei. Die Indianer nehmen die
Zeit wahr. Wenn ich ganz im Augenblick bin, dann erfahre ich die Zeit. Dann steht die Zeit manchmal still. Und ich erfahre, dass jetzt der rechte
Zeitpunkt ist, entweder innezuhalten oder etwas zu tun, etwas wachsen zu lassen oderetwas zu entscheiden. Von dieser Zeit sagt der
alttestamentliche Weise, der im Buch Kohelet die Weisheit Griechenlands mit der Weisheit Israels verbunden hat: »Für jedes Geschehen unter dem Himmel
gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit
zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für
den Tanz.« (Koh 3,1–4)
Spüre die Zeit
    A lle versuchen, die Zeit totzuschlagen. Und keiner will sterben.« Es ist ein paradoxer Satz, den dieses
     französische Sprichwort formuliert. Wir schlagen die Zeit tot. Aber indem wir die Zeit totschlagen, wollen wir dem Tod selber aus dem Weg gehen. Wir
     schlagen die Zeit tot, um dem Tod nicht begegnen zu müssen. Der eine schlägt die Zeit tot, indem er von einem Fernsehprogramm zum andern hüpft, der
     andere, indem er seine Zeit
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