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Das Graveyard Buch

Titel: Das Graveyard Buch
Autoren: Neil Gaiman
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hier sollten Sie so schnell wie möglich dorthin zurückbringen, wo es zu Hause ist, und das ist nicht hier.«
    »Seine Mutter hat mir den Jungen anvertraut«, sagte Mrs Owens, als ob das alles wäre, was es dazu zu sagen gab.
    »Meine liebe gnädige Frau …«
    »Ich bin nicht Ihre liebe gnädige Frau«, sagte Mrs Owens und erhob sich. »Und offen gesagt weiß ich gar nicht, warum ich überhaupt mit euch gepuderten Dum m köpfen rede, wo dieses kleine Wurm jeden A u genblick aufwachen wird und Hunger hat. Und wo bekomme ich auf dem Friedhof etwas zu essen für ihn, das möchte ich gern wissen.«
    »Das ist genau der Punkt«, bemerkte Caius Po m peius trocken. »Was wollen Sie ihm zu essen geben? Wie kö n nen Sie überhaupt für ihn sorgen?«
    Mrs Owens Augen brannten.
    »Ich kann mich um ihn kümmern«, sagte sie, »so gut wie seine richtige Mutter. Sie hat ihn mir gegeben. Sehen Sie doch selbst: Ich halte ihn, oder nicht? Ich streichle ihn.«
    »Jetzt nimm doch Vernunft an, Betsy«, sagte Mutter Slaughter, eine kleine schrumpelige alte Frau mit Haube und Umhang, die sie zu Lebzeiten getragen hatte und mit denen sie auch begraben worden war. »Wo soll er denn wohnen?«
    »Na, hier«, sagte Mrs Owens. »Wir ernennen ihn zum Ehrenbürger des Friedhofs.«
    Mutter Slaughters Mund bildete ein kleines rundes O. »Aber«, sagte sie. Dann sagte sie: »Aber ohne mich.«
    »Warum denn? Es wäre nicht das erste Mal, dass wir einen Außenstehenden zum Ehrenbürger erne n nen.«
    »Richtig«, sagte Caius Pompeius. »Aber der lebte nicht mehr.«
    An dieser Stelle merkte der Fremde, dass er, ob er wollte oder nicht, in den Streit hineingezogen wurde, und trat widerstrebend aus dem Schatten, aus dessen Dunkel er sich löste wie ein Stück Finsternis. »Nein«, pflichtete er bei, »in der Tat lebe ich nicht mehr. Aber ich teile Mrs Owens’ Standpunkt.«
    »Tatsächlich, Silas?«, sagte Josiah Worthington.
    »Ja. Zu seinem Wohl – ich glaube fest, dass es zu se i nem Wohl ist – haben Mrs Owens und ihr Gatte dieses Kind in ihre Obhut genommen. Doch braucht es mehr als ein rechtschaffenes Ehepaar, um ein Kind aufzuziehen«, sagte Silas. »Dazu braucht es einen ganzen Friedhof.«
    »Und was ist mit essen und so weiter?«
    »Ich kann auf dem Friedhof ein und aus gehen. Ich kann ihm etwas zu essen bringen«, sagte Silas.
    »Alles schön und gut, was Sie da sagen«, sagte Mutter Slaugther. »Aber Sie gehen hier ein und aus und keiner weiß, wo Sie stecken. Wenn Sie eine Woche lang for t bleiben, könnte der Junge sterben.«
    »Sie sind eine kluge Frau«, sagte Silas, »nicht u m sonst hält man so große Stücke auf Sie.« Er konnte die Geda n ken der Toten nicht so lenken wie die der Lebenden, doch konnte er es mit Schmeichelei und Überredung ve r suchen, denn dagegen waren auch die Toten nicht gefeit. Dann verkündete er: »Wenn Mr und Mrs Owens seine Eltern sein wollen, dann will ich sein Vormund sein. Ich bleibe hier auf dem Friedhof, und wenn ich wirklich ei n mal nach draußen muss, dann sorge ich dafür, dass sich jemand an meiner Stelle um ihn kümmert. Wir kö n nen die Krypta der Kapelle benutzen.«
    »Aber«, protestierte Josiah Worthington. »Dies ist ein Menschenkind, ein lebendes Kind. Ich muss schon sehr bitten. Das hier ist ei n Friedhof, keine Kinderkrippe, ve r dammt noch mal . «
    »Ganz genau«, sagte Silas und nickte. »Eine sehr ric h tige Bemerkung, Sir Josiah. Ich hätte es nicht besser au s drücken können. Und aus genau diesem Grund ist es auch so wichtig, dass das Kind hier au f wächst, ohne das, wenn Sie mir den Ausdruck verze i hen wollen, Leben auf dem Friedhof zu stören.« Dann ging er zu Mrs Owens hinüber und schaute auf das Kind, das in ihrem Arm schlief. Er hob eine Augenbraue. »Hat es denn einen Namen, Mrs Owens?«
    »Seine Mutter hat mir keinen genannt«, sagte sie.
    »Nun«, entschied Silas, »sein alter Name nützt ihm jetzt sowieso nichts mehr. Da draußen gibt es Leute, die ihm übelwollen. Also geben wir ihm doch einen neuen Namen, wie?«
    Auch Caius Pompeius trat heran und warf einen Blick auf das Kind. »Es sieht ein bisschen aus wie mein Pr o konsul Marcus. Wir könnten ihn Marcus nennen.«
    Josiah Worthington widersprach. »Er sieht eher aus wie mein Chefgärtner Stebbins. Aber das soll kein Vo r schlag für einen Namen sein. Der Mann hat geso f fen wie ein Loch.«
    »Er sieht aus wie mein Neffe Harry«, meinte Mutter Slaughter. Fast schien es so, als wollte der ganze Frie d hof sich
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