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Das Graveyard Buch

Titel: Das Graveyard Buch
Autoren: Neil Gaiman
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einschalten und Ähnlichkeiten zwischen dem Kind und irgendwelchen lang vergessenen Personen a n bieten. Schließlich wurde es Mrs Owens zu viel.
    »Er sieht aus wie niemand anderes als er selbst«, sagte sie entschieden. »Er sieht aus wie niemand, n o body.«
    »Dann also Nobody«, sagte Silas. »Nobody Owens.«
    Und in diesem Augenblick, als wollte es auf seinen Namen antworten, schlug das Kind hellwach die A u gen auf. Es schaute sich um und ließ den Blick über die G e sichter der Toten wandern. Dann sah es Silas fest in die Augen. Sein Blick war ernst.
    »Was soll das für ein Name sein – Nobody«, e m pörte sich Mutter Slaughter.
    »Sein Name, und ein guter obendrein«, entgegnete S i las. »Er wird dabei helfen, ihn zu beschützen.«
    »Ich will keinen Streit«, sagte Josiah Worthington. Das Kind schaute zu ihm auf und plötzlich, ob vor Hu n ger oder vor Müdigkeit oder vor Heimweh, ve r zog es sein kleines Gesicht und fing an zu weinen.
    »Lassen Sie uns allein«, sagte Caius Pompeius zu Mrs Owens. »Wir werden die Angelegenheit ohne Sie weite r besprechen.«
     
    Mrs Owens wartete draußen vor der Friedhofskape l le. Vor über vierzig Jahren war die Kapelle, ein kleiner Ki r chenbau mit einem Turm, unter Denkma l schutz gestellt worden. Der Stadtrat hatte aber b e schlossen, dass die Kosten für die Renovierung der kleinen alten Kapelle in dem aufgelassenen Friedhof zu hoch seien. So hatte man sich damit begnügt, den Eingang mit einem Vorhäng e schloss zu sichern und zu warten, bis der Bau einstürzte. Doch die efeub e wachsene Kapelle war solide gebaut und würde auch in diesem Jahrhundert nicht einstürzen.
    Das Kind in Mrs Owens’ Arm war wieder eingeschl a fen. Sie wiegte es sanft und sang ihm ein altes Lied vor, das ihr schon ihre Mutter gesungen hatte, vor langer Zeit, als bei den Männern gepuderte P e rücken in Mode kamen. Das Lied ging so:
     
    Schlaf, Kindchen, schlaf,
    Sei doch lieb und brav.
    Bist du einmal aufgewacht,
    Siehst du die Welt in ihrer Pracht,
    Küss der Liebsten Wangen,
    Reich die Hand zum Tanz,
    Finde deinen Namen
    Und verborgner Schätze Glanz …
     
    Mrs Owens sang bis hierher, als sie bemerkte, dass sie das Ende des Liedes vergessen hatte. Sie meinte, der Schlussvers hätte etwas zu tun mit »fettem Speck«, aber das konnte auch ein anderes Lied sein, deshalb brach sie ab und sang stattdessen über den Mann im Mond, für den es sich nicht lohnt, und danach sang sie mit ihrer schönen Altstimme ein neueres Lied über den »Daumen, der schüttelt die Pflaumen«. Sie sang gerade eine lange Ba l lade über einen jungen Landa d ligen, den seine Liebste ohne besonderen Grund mit einem Aalgericht vergiftet hatte, als Silas mit einem Pappkarton zur Friedhofskape l le kam.
    »Bitte schön, gnädige Frau«, sagte er. »Viele schöne Sachen für einen kleinen Prachtkerl. Wir können das gut in der Krypta unterbringen.«
    Er öffnete das Vorhängeschloss und machte die schwere Eisentür auf. Mrs Owens trat ein und b e trachtete misstrauisch die Bretter un d die alten Ki r chenbän ke, die an der Wand lehnten. In einer Ecke standen stockfleckige Kisten voller Kirchenbücher. Eine offene Tür führte zu einem viktorianischen Wasserklosett und einem Wasc h becken mit einem Kal t wasserhahn. Das Kind schlug die Augen auf und schaute.
    »Am besten lassen wir die Vorräte hier«, schlug S i las vor. »Hier ist es kühl, da hält sich das Essen lä n ger.« Er griff in den Karton und holte eine Banane heraus.
    »Und wo wächst so was?«, fragte Mrs Owens mit e i nem argwöhnischen Blick auf das gelbe Ding in S i las’ Hand.
    »Das ist eine Banane, eine Frucht aus den Tropen. Ich glaube, man muss die Schale abmachen«, sagte Silas. »So.«
    Das Kind – Nobody – wand sich in Mrs Owens Arm. Sie ließ es herunter und sogleich wackelte es zu Silas hinüber, packte ihn am Hosenbein und hielt sich fest. S i las gab ihm die Banane.
    Mrs Owens sah zu, wie der kleine Junge aß. »Ba-na- ne«, wiederholte sie ungläubig. »Noch nie gehört. Nie. Wie schmeckt das denn?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Silas, der nur eine Art Nahrung zu sich nahm, und das waren nicht B a nanen. »Sie könnten dem Jungen hier ein Bett für die Nacht he r richten.«
    »Das tue ich ganz bestimmt nicht, wo doch Owens und ich so eine reizende Gruft gleich neben dem Narzi s senbeet haben. Jede Menge Platz für den Kleinen. Au ße r dem«, fügte sie hinzu, damit Silas nicht glaubte, sie wolle seine Gastfreundschaft
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