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Das Grauen von Bookerhole - Ein Fantasy-Thriller (German Edition)

Das Grauen von Bookerhole - Ein Fantasy-Thriller (German Edition)

Titel: Das Grauen von Bookerhole - Ein Fantasy-Thriller (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
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einem Bein überschritten hatte, merkte niemand.
    Der Kreis von Cecilias Erinnerungen schloss sich.
    Es war dunkel wie im Bauch eines Wals und Cecilia hatte Angst.
    Jetzt weinte sie doch.
     

5
     
    Die frühe Abenddunkelheit lag schwer wie Blei über dem Hafen. Das Wasser der Themse schwappte mit eintöniger Regelmäßigkeit gegen die Stützpfeiler halbverfallener Hütten.
    Der Fluß war begrenzt von einer ganzen Reihe solcher Häuser, deren Gerippe wie mahnende Silhouetten in den Abendhimmel stachen. Eine Mauer ragte, halb zerfallen, am Ufer hoch, davor ein schmutziger Graben. Alte Holzpfähle, an denen Stoffreste und im Gaslicht der wenigen Laternen grün aussehende, schmierige Überbleibsel des letzten Hochwassers flatterten, ragten aus dem Schlamm und dem Kot.
    Die Frau lehnte sich unter einem Torweg an eine Mauer, ruhte einen Moment, wischte ihre Hände am rosafarbenen Chiffonkleid ab und setzte ihren Weg fort.
    Die Mauer endete und der Blick der Frau glitt hinüber zur Brücke, über die sich die Menschenmassen und die Fuhrwerke wälzten, alle auf dem Weg nach Hause. Vor ihr erstreckte sich eine Uferregion, die überwuchert war mit bizarren verrosteten Gebilden, deren Oberflächen im Mondlicht reflektierten wie unförmige Urwesen, die der Schlamm geboren hatte. Dampfkessel, Röhren, Ruderschaufeln, Windmühlenflügel, und einmal meinte Cecilia gar eine Taucherglocke aus dem Schlick ragen zu sehen.
    Dieses Bild wurde untermalt vom Tosen der Schmiedehämmer, ein Tosen das aus den flachen rotsteinigen Fabrikbauten donnerte. Aus den Essen der Gebäude wälzte sich schwarzer dicker Rauch.
    Warum, fragte sich Cecilia, habe ich getötet?
    Weil du töten mußt, mein Kind!, antwortete ihre innere Stimme.
    Warum sah die Frau in der Kiste genauso aus wie ich?
    Weil du sie bist!
    Wie kann sie ich sein, wenn ich doch hier bin und sie ist in diesem Haus der Irren?
    Komm nach Hause, mein Kind!
    Cecilia stieg über die Reste einer Schiffschraube, die ihr den Weg versperrte.
    Sie hatte diesen jungen Mann getötet, ohne jede Regung. Sie war an jenem schrecklichen Ort gewesen, ohne zu wissen, wie sie dort hin gelangt war. Der Mord hatte sie nicht angestrengt. Es war eine Spielerei gewesen, ebenso wie die zwei anderen Morde, die sie begangen hatte.
    Sie schluchzte hell, blieb abrupt stehen und hielt ihre Hände von sich gestreckt. Sie legte ihren Kopf auf die Seite und begutachtete ihre Finger. Es waren die schlanken Finger einer Frau, ohne Zweifel. Und doch lauerte in ihnen die Kraft eines Ungetüms.
    Minuten vergingen, während denen sie in absoluter Gedankenstille ruhte, dann schnellte sie hoch, denn sie hatte ein Geräusch gehört. Ihr Kopf ruckte hin und her. Sie öffnete ihre Sinne und lauschte. Es waren keine menschlichen Geräusche, nein – es handelte sich um das Trappeln von Rattenfüßen. Winzige Krallen ratschten über verrostetes Metall, zahllose spitze Schnauzen schnüffelten, sogen den Odem der Fäulnis ein und nagten an Schimmel und Aas.
    Sie mochte Ratten.
    Sie waren ihr ähnlich. Das wusste sie auf einer tief verwurzelten Ebene, ohne es erklären zu können.
    Ratten waren mutige Tiere. Sie lebten in Gewässern, Röhren, in Schmutz und Dreck. Sie lebten dort, weil sie keine andere Möglichkeit hatten. Sie fraßen Dreck, weil es sonst nichts für sie gab. Und die meiste Zeit wussten sie, daß sie die Könige der Welt waren. Welch ein Leben!
    Wie kann ich die Frau in der Kiste sein, wenn ich hier bin, weit weg vom Haus der Irren?, eilten ihre Gedanken weiter.
    Höllische Schmerzen schossen durch ihren Kopf. Sie schlug die Finger, die sie noch immer von sich gestreckt hielt, vor ihr Gesicht. Bitte, bitte! Laß den Schmerz verschwinden. Ich will nicht bestraft werden. BITTE!
    Ebenso plötzlich wie er gekommen war, ließ der Schmerz nach und trug alle Fragen mit sich, die Cecilia gequält hatten. Ihre Sinne registrierten die Gerüche des Hafens, der brackigen Themse, sogar die kleinen Kotkugeln der Ratten witterte sie.
    Ihre Wahrnehmung verstärkte sich und ihr Blick durchdrang die Dunkelheit. Ihre Umwelt färbte sich grün. Konturen erschienen schmutziggelb. Die Kühle des Abends drang in ihre Lungen und erfüllte sie mit neuer Kraft.
    Fragen waren nicht mehr wichtig.
    Wichtiger war es, nach Hause zu gehen.
    Endlich fühlte sie sich wieder wohl.
    Ihr Herz pulsierte im Takt der Schmiedehämmer, Energie schoß durch ihre Adern wie Feuer aus den Schornsteinen der Metallwerke. Es waren die Flammen der unendlichen Glut,
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