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Das Grab des Tauren

Das Grab des Tauren

Titel: Das Grab des Tauren
Autoren: Hugh Walker
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antwortete nicht. Er richtete die ganze Kraft auf das Auge und befahl ihm zu sehen, was er sehen wollte.
    Mit Genugtuung nahm er wahr, daß sich sein Blickfeld veränderte. Es schrumpfte, denn die Mauern wurden wieder fest und die Gefährten zu undurchsichtigem Fleisch und Blut.
    Er atmete auf. Er hatte die Herrschaft über das Auge!
    »Was siehst du?« drängte Taurond erneut.
    »Die Wirklichkeit«, sagte der Magier und löste sich aus Lellas und Merryones Griff.
    »So siehst du nichts?« fragte der Junge enttäuscht.
    , Thonensen gab keine Antwort. Er bereitete sich auf den zweiten Schritt vor. Er richtete den Blick auf die Wand vor sich. Langsam wurde sie durchsichtig, und wie ein gewöhnliches Auge sich dem Licht angleicht, sich weit öffnet in der Nacht, sich nur einen Spalt öffnet in der grellen Sonne, so vermochte er mit dem Auge der Finsternis zu sehen, was er sehen wollte. Nur dort veränderte sich die Wand, wo sein Verstand bestimmte – wo er durchsehen wollte!
    Er atmete tief ein und sagte triumphierend: »Ich beherrsche es. ICH BEHERRSCHE ES!« Und er ballte die Fäuste in seinem Triumph. »Jetzt kann es beginnen.«
    Das Auge öffnete erneut die Wand für ihn. Jenseits war die Dunkelheit einer Halle. Aus der Erinnerung wußte er, daß die Entfernung größer sein mußte. Die jenseitige Wand öffnete sich. Dunkelheit war dahinter. Aber nun öffnete sich das Auge weiter. Durch ein Fenster fiel Mondlicht, fiel auf einen Schlafenden.
    Der Magier drehte sich langsam. Sein magischer Blick wanderte durch Türme, Hallen und Gänge. Plötzlich hielt er inne. Er sah ihn deutlich vor sich.
    Die aufrechte, stille Gestalt war von gewaltiger Größe. Fünf Mauern lagen dazwischen. Thonensen sah, daß er sich auf der Höhe des Kopfes befand. Die Gestalt ragte tief hinab in das Fundament der Burg.
    »Du hast ihn?« fragte Taurond aufgeregt.
    »Ich habe ihn. Was liegt in dieser Richtung?«
    »Auf dieser Höhe… die Frauengemächer…«
    Der Magier sah sie. »Dahinter… ein Korridor… danach… ich sehe eine schlafende Gestalt… aber es ist zu dunkel, um zu erkennen, wer…«
    »Das muß Vaters Schlafgemach sein«, sagte der Junge verwirrt. »Dahinter ist…«
    »Freier Himmel…«
    »Der Burghof.«
    »Dahinter…«
    Duzellas Augen wurden groß. »Das sind unsere Räume, Tau.«
    Der Junge nickte. »Unser Spielzimmer… aber darunter ist nichts… nur Fundament für die Türme.« Er schüttelte seinen Kinderkopf. »Darunter sind nicht einmal Gänge. Nur kalter Stein. Selbst durch die Teppiche kann man es spüren. Dieser Teil der Burg steht auf natürlichem Fels…«
    Thonensen schloß die Augen. Er fühlte sich plötzlich schwach und war dankbar, daß Nottr ihn am Arm ergriff und hielt.
    »Sein Grab ist dort«, sagte er. »Ich irre mich nicht. Natürlicher Fels…« Er nickte. »Es gibt kein besseres Grab für einen Steinbauer.«

6.
    Sie standen im Spielzimmer, wo Nottrs Viererschaft die schweren Teppiche zur Seite gerollt hatte. Der Boden bestand wie überall in den alten Teilen der Burg aus mächtigen Steinquadern, die sich glatt und fugenlos aneinanderreihten.
    Thonensens magischer Blick wanderte in den Fels hinab.
    »Ihr Götter! Er ist gewaltig«, flüsterte der Magier. »Wir stehen genau über seinem Haupt. Und hier…« Er ging ein paar Schritte. »Hier hängt ein großer Korb an einem Seilzug… es muß hier einen Weg nach unten geben.« Er starrte eine Weile angespannt auf die Wände ringsum. Es mußte einen Mechanismus geben, mit dessen Hilfe sich der Boden öffnen ließ. Der Korb konnte nichts anderes bedeuten, als eine Art Aufzug, der Dinge oder auch Menschen in die Tiefe brachte. Der Taure mochte menschliche Helfer gehabt haben, Priester vielleicht, die sein Grab bewachten und pflegten.
    Thonensen spürte, wie sich sein Blick trübte, als die Kraft zu schwinden begann. Da entdeckte er den Mechanismus an einem der Quader der Wand. Äußerlich war nichts zu erkennen, doch der schwindende magische Blick offenbarte die Druckpunkte. Zusammen mit Nottr stemmte er sich dagegen. Knirschend drehte sich der Quader – überraschend leicht für seine Größe –, und rumpelnd sank ein Bodenquader in die Tiefe. Man konnte nun sehen, daß diese Steine mit schrägen Flächen aneinanderstießen und so mehr Halt besaßen. Der schrägflächige Quader sank eine halbe Manneslänge ab und wich knirschend ein Stück zur Seite, so daß die eine Hälfte der entstandenen Öffnung von fünf mal fünf Schritt Größe wie eine
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