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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago
Autoren: Gisbert Haefs
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Boshmun wandte den Kopf, um den Bewaffneten etwas zu sagen. Bomilkar hob die Hand zum Nacken, schnell, aber nicht hastig; das kleine Wurfmesser schmiegte sich in die Handfläche und wollte fliegen.
    Dann steckte es in Boshmuns Hals – seitlich, da er den Kopf gedreht hatte. Aus der Schlagader stieg ein Strahl, aber Bomilkar achtete nicht darauf. Die Wurfbewegung seines rechten Arms endete am Schwertgriff.
    »Wollt ihr leben?« sagte er. »Oder Boshmun und die fünf Männer, eure Brüder, die er geopfert hat, in die Unterwelt begleiten? Laßt die Schwerter stecken.«
    Zeit. Zeit gewinnen. Befehlen.
    Er ging zum Tisch; nur halb bewußt nahm er den Lärm wahr, die Schreie und Kampfgeräusche aus dem Haus.
    »Kommt, faßt an. So soll er nicht liegen.«

    Boshmuns Oberkörper lag verdreht auf der Tischplatte, die Beine deuteten auf Daniel, der in einer sich ausdehnenden Blutpfütze lag und mit den Brauen zuckte.
    Die beiden Männer wechselten einen Blick; dann sagte der Wächter, der in der linken Ecke gestanden hatte und nun zwei, drei Schritte hin zum Tisch machte:
    »Was soll geschehen – Herr?«
    Innerlich atmete Bomilkar auf, ließ sich aber nichts anmerken. »Legt ihn gerade auf den Tisch.«
    »Das meine ich nicht. Er kann liegen oder hängen wie er will – was geschieht danach? Mit uns? Wenn deine Leute gewinnen …« Er deutete mit dem Kinn zur Tür.
    »Mit euch? Nichts? Ihr könnt gehen. Und seid sicher, meine Leute werden gewinnen.«
    Er war nicht so sicher, da er nicht wußte, wie viele Wächter Boshmun um sich geschart hatte. Er bückte sich, ohne die beiden Männer ganz aus den Augen zu lassen, befreite Daniel vom Knebel und machte sich daran, die Fesseln mit dem Schwert zu zerschneiden. Dann fluchte er lautlos, zog das Messer aus Boshmuns Hals und vollendete die Arbeit mit der kleineren, schärferen Klinge.
    Daniel war noch nicht ganz frei, als die Tür mit einem Krach aufsprang. Tigalit stürmte in den Raum, gefolgt von Laetilius, dann zwei Männer, die zu Tigalit gehören mußten.
    »Ihr lebt?« sagte sie; sie blieb neben Bomilkar stehen und zog Daniel auf die Füße. Laetilius und die beiden anderen wollten Boshmuns Wächter entwaffnen.
    »Ich weiß nicht, ob man das ›leben‹ nennen kann«, knurrte Daniel; er rieb sich die Handgelenke.
    Gleichzeitig sagte Bomilkar: »Halt! Laßt die beiden; sie sollen unbehelligt gehen. Wenn alles vorbei ist.«
    Daniel legte die Innenfläche der Rechten an Tigalits Wange. »Du bist zur richtigen Zeit gekommen. Bomilkar wollte mich gerade gegen freien Abzug verkaufen.« Er grinste, wurde aber sofort ernst. »Können wir aufbrechen?«

    »Wohin?«
    »Es gibt, außer dir, o Holde, nur einen, der wußte, wo sie mich finden können. Und er weiß bestimmt sonst noch einiges.«
     
    Bomilkar war todmüde, das Bein schmerzte, auch die Schulter sorgte dafür, daß er den nächtlichen Ritt schnell vergessen wollte und nicht vergessen würde. Nur der Kopf war wach, arbeitete, beobachtete, ordnete Dinge und Vorgänge fast ohne Bomilkars Zutun; und etwas im Kopf sagte ihm, daß er eine wichtige Sache übersehen habe. Nur nicht welche. Aspasia? Sie schlief – hoffentlich gut bewacht – auf seinem Behelfslager in den Wachräumen bei der Festung. Boshmun? Tot; kein Verlust für die Welt und die Stadt. Hanno? Budun? Arish? Qarthalo? Mago? Er ging die Namen durch, wieder und wieder, ohne Ergebnis.
    Die Sterne fern im Osten begannen zu verblassen, als sie das Landgut in der Megara erreichten. Bomilkar ließ sich vor der Treppe zum Eingang vom Pferd rutschen; er wollte mit den anderen ins Haus laufen, dann hinterherhumpeln, blieb aber schließlich schwankend stehen und biß die Zähne zusammen. Zililsan trat neben ihn.
    »Meine Schulter?«
    »Danke.« Er stützte sich auf den kräftigen Libyer, der die Männer über die Dächer des Hafenviertels geführt und Boshmuns Leute von dem Angriff abgelenkt hatte, den Tigalit unter der Erde, in den Kanälen, leitete.
    »Und jetzt? Warten?«
    »Ich mag keine Treppen steigen.«
    »Was geschieht am Hafen?«
    Bomilkar hob die Schultern. Und stöhnte leise, als die Wunde wieder aufflammte. Zerstreut fragte er sich, welche Dämonen ihm geholfen hatten, nicht auf die Schulter zu achten, als er das Messer warf.

    »Tigalit wird ein wenig aufräumen, denke ich«, sagte er durch die Zähne. »Autolykos wird zusehen. Und wir dürfen hinterher sagen, wir seien dabeigewesen.«
    Zililsan gluckste.
    Daniel erschien unter dem Vordach. »Weg.« Er klang
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