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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend
Autoren: Andrew Harman
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Nicht nur hatten alle Anwesenden sie schon unzählige Male gehört, es wirkte auch leicht lächerlich, Leute an einem Ort willkommen zu heißen, den sie zwischendurch höchstens mal für acht Stunden verließen. Ein kleines Nickerchen oder die eine oder andere Segnung waren in der Regel das einzige, was sie von hier fortlockte.
    Vor einigen Jahrhunderten war es natürlich noch anders gewesen. Damals hatte es im Hymmelreich nur so von gastronomischen Betrieben gewimmelt, in denen man fast göttlich übernatürliche Imbisse zu sich nehmen konnte. Die Götter und Göttinnen waren herumgehuscht, hatten neue Rezepte ausprobiert und sich im allgemeinen hymmlisch amüsiert. Jahrhundertelang war alles in Butter gewesen. Alle paar Jahrzehnte hatte man das Manna anders serviert, den Nektar mit Eiskrem verfeinert oder das Ambrosia mit Baiser überbacken. Alle waren hochzufrieden gewesen, bis …
    Eines schicksalhaften Tages hatte Happa, den Gott der Köstlichkeiten, die vollkommen unschuldig erscheinende Bitte erreicht, einen kurzen Abstecher in ein nagelneues Restaurant in der Gebirgsstadt Axolotl zu machen, das am nächsten Tag eröffnet werden sollte. Es war das übliche: die alte ›Segne uns auf ewig‹-Leier wegen des florierenden Geschäfts, und viel Glück im Tausch gegen eine ordentliche Portion des Tagesgerichts in seinem privaten Winztempel hinter dem Haus. Er war pflichtbewußt in das funkelnagelneue altmodische Restaurant geschlüpft, dessen Interieur mit ›Aldte Weldt‹-Spinnweben, aufgeplatztem Putz, nacktem Holzboden und Engelsfresken verziert war, und seine göttlichen Nasenflügel hatten vor Aufregung gebebt. Nie zuvor hatte er Vergleichbares gerochen: einen muffig-süßen Duft, der zugleich auf subtile Art geschmacklos und doch verführerisch lecker war. Und da hatte er sich befunden, mitten im Restaurant: ein runder Laib goldenen Brotes, der unter einer Glasur aus Knoblauch und Kräuterbutter sanft vor sich hindampfte. Bevor er sich dessen bewußt geworden war, hatte er darauf einen Berg geriebenen Drachonzolakäse geschaufelt und alles in sich hineingestopft.
    In jener Nacht war das Manna im Hymmel das schlechteste gewesen, das er je gekostet hatte. Jeder Mundvoll entlockte seiner Zunge ein qualvolles Stöhnen, da ihm klar wurde, daß die Ewigkeit ohne Luitschi Fabritzis berühmtes Drachonzola-Knoblauchbrot nicht mehr lebenswert war.
    Der Gott der Köstlichkeiten hatte erkannt, daß etwas getan werden mußte.
    Wenige Stunden vor der großen Restauranteröffnung hatte Fabritzi gerade allein einem geheimen Pizzarezept den letzten Schliff verliehen, bei dem es vor allem auf die sorgfältige Verwendung des seltenen murrhanischen Drachonzolakäses ankam.
    Kein Sterblicher hatte je erfahren, wo der kleine Funke herkam, der urplötzlich neben einem großen Topf Drachonzolakäse erschienen war: Sekunden später stand das gesamte Lokal in Flammen. Balken fielen vom Dach und gaben dem Feuer weitere Nahrung, so daß alles in wenigen infernalischen Minuten vernichtet wurde.
    Noch in derselben Nacht erschien im Hymmelreich ein eigentümlich dicker Engel mit Kochmütze, seltsamem Akzent und der unerklärlichen Fähigkeit, die erstaunlichsten Dinge aus einem Stück Brot und etwas Knoblauch zu zaubern. Geschmacksknospen im ganzen Hymmel prickelten freudig beim Genuß von gerösteten Manna-Ecken mit Knoblauch. In weniger als einem Monat wurde ein Nachbau des Restaurants errichtet. Alle anderen Imbißstuben hatten aufgegeben und dichtgemacht. Heute verließ niemand Manna Ambrosias Restaurant. Na ja, man konnte halt nirgendwo anders hin.
    Happa kaute geistesabwesend auf einer Brotstange herum und öffnete einen großen Briefumschlag, den er in der Hand hielt. »Götter, Götzen, Gottheiten! In den vergangenen Monaten habt ihr die Hohe Tafel mit einer starken Mischung aus gesundem Neid und dem überwältigenden Drang, uns unsere Plätze zu stehlen, beobachtet. Jeder von euch hat schwer daran gearbeitet, seine Gefolgschaft mit frischem Blut zu verstärken, ein jeder in der Hoffnung, sich mir an der Hohen Tafel anschließen zu dürfen.« [1]
    Aufgeregtes Interesse brauste auf, als Happa die Seelenwerte aus dem Umschlag nahm.
    »Ach!« rief er erstaunt, als hätte er nicht den Großteil des vorherigen Tages damit zugebracht, die Zahlen auszuwerten. »In diesem Monat hat es einige Bewegungen gegeben. Zwei Plätze werden hier oben frei.« Er schaute für jemanden, der angeblich so theologisch angehaucht war, etwas zu genüßlich
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