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Das Götter-Opfer

Das Götter-Opfer

Titel: Das Götter-Opfer
Autoren: Jason Dark
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keinen Sitzplatz gefunden hatten, mußten sich festhalten, um nicht umgestoßen zu werden. Die Welt tauchte ein in das Einerlei des Tunnels, so daß es für die Fahrgäste keine äußeren Ablenkungen mehr gab.
    Ich schaute hoch.
    Das Ehepaar sprach nicht mehr. Beide starrten vor sich hin. Doch in die junge Frau direkt mir gegenüber war Bewegung gekommen. Nicht daß sie auf dem Sitz hin- und hergerutscht wäre, nein, sie war schon sitzengeblieben, aber sie bewegte ihren Kopf. Sie versuchte, mal rechts und mal links an mir vorbeizuschauen. Mir fiel die Bewegung auf, denn bei meinem Einstieg war sie noch ziemlich ruhig gewesen.
    Irgend etwas mußte sie gesehen haben.
    Ihre Haltung hatte sich auch verändert. Sie war gestrafft. Locker war mir die Frau nie vorgekommen, doch nun hockte sie auf dem Sitz wie auf dem Sprung.
    Was hatte sie gesehen?
    Auf jeden Fall nichts, das ihr Freude gemacht hätte. Dann hätte sie anders reagiert.
    Es gefiel mir auch nicht, als ich ihren scharfen Atemzug hörte. Er klang irgendwie ängstlich.
    Dann drehte ich mich. Das Verhalten hatte etwas in mir geweckt, das man als Instinkt bezeichnen konnte. Ich mußte einfach sehen, was da ablief.
    Menschen standen im Gang, aber nicht die beiden dunkelgekleideten Männer, die sich durch den Wagen schoben. Ihr Verhalten glich nicht dem der normalen Fahrgäste. Sie waren auch keine Kontrolleure, sie sahen aus, als suchten sie etwas. Denn auf dem Weg durch den Wagen schauten sie immer wieder nach links und rechts.
    In den folgenden Sekunden galt meine Aufmerksamkeit wieder der mir gegenübersitzenden Frau. Ihr Verhalten hatte sich wieder verändert. Jetzt atmete sie heftiger, und ihre Hände hatten sich rechts und links des Körpers auf die Sitzbank gestemmt, als wollte sie sich jeden Moment abstoßen, um schnell weglaufen zu können. Sie bewegte auch ihren Kopf. Sie schaute nach rechts und links zu den Fenstern hin. So wie jemand, der starr darauf wartet, daß der Zug den Tunnel verläßt und in die Station einrollt, damit sich endlich die Türen öffneten.
    Ich warf einen Blick zurück.
    Die beiden Männer waren nähergekommen. Sie drückten sich an den Fahrgästen vorbei und schoben sie zur Seite. Dabei bewegten sich auch ihre Köpfe, und sie schauten in die Gesichter der anderen hinein, weil sie aus der Masse ein bestimmtes Gesicht herausfiltern wollten. So jedenfalls kam es mir vor.
    Ich hörte, daß die junge Frau mir gegenüber schärfer atmete. Sie schien noch stärker unter Druck zu stehen, und das konnte nur mit der Ankunft der beiden Zusammenhängen.
    Wieder drehte ich den Kopf.
    Die beiden Typen waren stehengeblieben. Sie hielten sich an den Halteschlaufen fest. Dabei schauten sie über mich hinweg. Das Ziel ihrer Blicke war die Frau.
    Noch saß sie. Aber sie bewegte sich. Ihr Blick war auf die Fenster gerichtet, und ihr Gesicht spiegelte Spannung wider. Das ältere Ehepaar störte sich nicht daran, es blieb weiterhin lethargisch, aber ich war mißtrauisch geworden, und ich wollte der jungen Frau auch helfen.
    »Bitte«, sprach ich sie an. »Ist Ihnen nicht gut? Kann ich was für Sie tun?«
    Ich erhielt eine Reaktion, aber sie verwunderte mich, denn sie schüttelte nur den Kopf.
    Die U-Bahn verlor an Tempo. Das Ende der Röhre näherte sich. In wenigen Sekunden würden wir den neuen Bahnsteig erreicht haben und anhalten.
    Erste Lichter huschten schemenhaft an den Seiten entlang. Dann wurde es heller, der Bahnsteig war erreicht. Die andere Welt breitete sich draußen aus.
    Die junge Frau erhob sich mit einer heftigen Bewegung, obwohl der Zug noch nicht stand. Sie mußte den anderen Kräften Tribut zollen und schwankte. Im letzten Augenblick hielt ich sie fest.
    Die beiden Männer hatten diese Unachtsamkeit ausgenutzt und waren nähergekommen. Sie standen jetzt auf gleicher Höhe mit mir. Mir war jetzt klar, daß sie die junge Frau gesucht hatten und etwas von ihr wollten.
    Noch konnte sie nicht aussteigen, weil der Zug nicht angehalten hatte. An ihrem Gesicht las ich ab, wie sehr sie es sich wünschte, denn sie blickte einige Male zurück. In einer derartigen Situation konnten Sekunden zu kleinen Ewigkeiten werden.
    Die Helligkeit draußen nahm zu. Der Zug fuhr jetzt langsamer. Menschen schälten sich hinter den Scheiben hervor. Wie Puppen verteilt standen sie auf den Bahnsteigen.
    Noch einmal drehte sich die Frau um, als wollte sie sich die beiden Männer genau anschauen. Sie öffnete dabei ihre Augen – und mich durchfuhr es wie der
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