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Das Götter-Opfer

Das Götter-Opfer

Titel: Das Götter-Opfer
Autoren: Jason Dark
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eien Jugendstil kopiert. Durch das Schaufenster konnte ich in den mit dunklen Hölzern ausgekleideten Innenraum schauen, in dem es auch warm war, denn diese Luft schlug uns entgegen, als ich die Tür nach innen gedrückt hatte.
    Freie Plätze gab es genug. Wir konnten uns an die Theke setzen, aber auch auf eine kleine Empore oder in die Ecke, in der sich ein Garderobenständer und die Haken für die Zeitungen befanden.
    Ich entschied mich dafür.
    »Wollen Sie nicht den Mantel ausziehen?«
    »Nein.«
    »Bitte.« Ich rückte Selima einen Stuhl zurecht. Sie knöpfte den weit geschnittenen Mantel auf und zog das Tuch vom Kopf, das mehr Ähnlichkeit mit einer Kapuze aufwies, weil es noch durch Knöpfe am Mantel befestigt worden war.
    Ich staunte über ihr Haar. Es war blond, aber auch irgendwie anders. Es kam mir in diesem Augenblick golden vor, als hätten sich über die blonde Farbe goldene Strähnen gelegt. Das Haar war sehr dicht und von zwei Seiten nach hinten in den Nacken gekämmt und zu einem Knoten gebunden.
    Als Selima saß, huschte ein schüchternes Lächeln über ihr Gesicht. Aber sie wagte noch nicht, mich direkt anzuschauen.
    »Was möchten Sie trinken?«
    »Kaffee und Wasser.«
    Bei einem jungen Mann, bei dem die schwarze Fliege am Kragen seines weißen Hemdes auffiel, gab ich die Bestellung auf. Ich entschied mich nur für einen Kaffee. Selima saß neben mir und hatte ihre Hände gefaltet auf die Oberschenkel gelegt. Das Lächeln auf ihren Lippen wirkte etwas verloren. Sie sah aus wie jemand, der in tiefe Gedanken versunken war. Wahrscheinlich dachte sie jetzt darüber nach, was ihr widerfahren war.
    Unsere Getränke wurden gebracht, und erst als Selima das Wasserglas fast geleert hatte, sprach ich sie an. »Ich denke, daß wir uns jetzt aussprechen sollten.«
    »Worüber denn?«
    »Uber Sie.«
    Selima zuckte mit den Schultern und schaute in ihre Tasse. »Nein, ich bin nicht interessant.«
    »Das sagen Sie mal nicht.«
    »Wieso denn?«
    »Wissen Sie eigentlich, daß ich Sie gesucht habe und daß unser Zusammentreffen wohl nicht dem Zufall entspricht?«
    Sie sah mich an. »Das begreife ich nicht. Ich kenne Sie nicht.«
    »Jemand rief mich an und erzählte mir von einer jungen Frau mit goldenen Augen.«
    »Wer denn?«
    »Ebenfalls eine Frau. Sie kennt mich, doch ich weiß nicht, ob ich sie kenne.«
    »Das ist seltsam.« Mehr fügte sie nicht hinzu. Ich war nicht ärgerlich darüber, daß sie so wenig sagte, sie kam mir nur vor wie jemand, der in einem tiefen Tal des Vergessens schwebt und durch die Wirklichkeit läuft, ohne sie richtig wahrzunehmen.
    »Was wollten die beiden Männer von Ihnen?«
    Erst als ich zwei Schlucke Kaffee getrunken hatte, erhielt ich die Antwort. »Welche Männer?«
    »Die beiden, die Sie unten in der U-Bahn-Station gestellt haben. Erinnern Sie sich nicht?«
    »Nein.«
    Ich blieb ruhig und lächelte sogar. »Woran erinnern Sie sich denn, Selima?«
    »Keine Ahnung.«
    »Nicht an die Fahrt mit der U-Bahn?«
    Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Und wo wohnen Sie?«
    »Einsam, sehr einsam«, erklärte sie seufzend. »Ich bin allein. Weit weg, glaube ich.«
    In meinem Job hatte ich es schon oft mit hartgesottenen Zeitgenossen zu tun gehabt, mit Gangstern und Killern, die wir verhören mußten und die dabei logen, daß sich die Balken bogen. Seltsamerweise hatte ich bei Selima nicht das Gefühl, daß sie mich anlog. Sie wußte einfach nicht mehr von sich. Ihr normales Leben schien ausgelöscht zu sein, und sie wandelte wie eine völlig Fremde durch die Wirklichkeit.
    »Sie wissen also nicht, wer Sie sind?«
    »Ich bin Selima.«
    »Das weiß ich schon.«
    »Ich bin eine Göttin. Eine Hohepriesterin!« Plötzlich konnte sie reden. Sie sprach sogar schnell und mir beinahe zu laut. »Ich bin es. Man hat mir Opfer und Geschenke gebracht. Man hat mich geholt. Ich weiß es. Man will etwas von mir…«
    Da sie eine Pause einlegte, hakte ich nach. »Wissen Sie noch mehr über sich, Selima?«
    »Weiß nicht…«
    »Wie alt Sie sind, zum Beispiel.« Ich hatte die Frage wie nebenbei gestellt und mir auch gar nichts Konkretes dabei gedacht. Deshalb überraschte mich die Antwort um so mehr.
    »Ich bin über viertausend Jahre alt!«
    Glücklicherweise konnte ich die Tasse noch schnell abstellen, sonst wäre der Kaffee herausgeschwappt. Diese Antwort hatte mich mehr als überrascht. »Viertausend Jahre?« hauchte ich.
    »Ja, das stimmt.«
    »Und wo haben Sie gelebt?«
    »Immer hier in
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