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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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in den Unterleib
eingesetzt worden. Die gerichtsmedizinische Abteilung brauchte die
Leiche vor der Beerdigung schnell wieder zurück. Je
kürzer sie sich außerhalb des Kühlraums befand,
desto besser.
    Dóra
beschleunigte ihren Schritt, damit die beiden Frauen sie und
Markús nicht sahen. Dieser schien nichts bemerkt zu haben,
und Dóra packte ihn drängend am Arm. Beim Restaurant
Lækjarbrekka waren sie außer Sichtweite, und
Dóra entspannte sich. Ihr Handy piepte.
    »Wenn
ich irgendwas für dich tun kann, Dóra, dann versprich
mir, mich zu fragen«, sagte Markús, während
Dóra aufs Display schaute. 
    Es
war eine SMS von Gylfi. Er erinnerte sie daran, für das
Festival eine Unterkunft zu besorgen. Dóra sah Markús
an, der breit lächelnd neben ihr stand. »Tja, da
gibt’s was, das mich wirklich sehr freuen würde«,
sagte sie und lächelte zurück.
     
     
     

37
    SAMSTAG 4. AUGUST 2007
    Dóra
hielt die Hand ihrer Tochter Sóley so fest, dass die Kleine
jammerte. Sie lockerte ihren Griff, achtete aber darauf, dass ihr
die kleine Hand nicht entglitt. Es war ein solches Gedränge,
dass Dóra fürchtete, Sóley nie mehr
wiederzufinden, wenn sie sie nur einen Moment losließ.
Natürlich hätten sie sich niemals in die Schlange vor dem
Kiosk mit den Souvenirs einreihen sollen. Aber es war schwer,
Sóley etwas abzuschlagen. Sie hatte alle Leute mit
blinkenden Sonnenbrillen, Masken, Hüten, Ketten und
Fähnchen fasziniert angestarrt. Als Sóley den Kiosk
entdeckte, war sie nicht mehr zu halten. Dóra setzte Orri
auf ihrer Hüfte zurecht. Er krallte sich genauso fest an seine
Oma wie diese an Sóley.
    »Ich
will eine Nase!« Sóley stellte sich auf die
Zehenspitzen und begutachtete das Angebot. »Und so eine
blinkende Haarspange!«
    Nachdem sie
die unverzichtbare Festivalausrüstung gekauft hatten,
zwängten sie sich aus der Schlange. Dóra war
erschöpft, weil sie den etwa einjährigen, nicht gerade
leichten Orri so lange getragen hatte. Sie ließen sich in
einer kleinen grasbewachsenen Senke nieder, und Sóley packte
ihre Accessoires aus und setzte sie auf. »Hübsch,
ne?« Sie grinste von einem Ohr bis zum anderen. Dóra
grinste zurück und nickte, während Orri seine speckigen
Finger nach der roten Clownsnase ausstreckte. Sóley wich ihm
{343 }geschickt aus und ärgerte ihn, indem sie ihm immer
wieder die Nase hinhielt, dann aber den Kopf wegdrehte, wenn er
danach griff. Das Wetter war ausgezeichnet, und Dóra hatte
noch keine Betrunkenen gesehen. Sie war positiv überrascht von
dem Festival – alle schienen sich so gut zu amüsieren,
dass sie sich die Stimmung nicht durch übermäßigen
Alkoholgenuss kaputt machen wollten. Dóra hoffte, dass das
auch für Gylfi und Sigga galt, die sie seit ihrer Ankunft auf
dem Festivalgelände im Herjólfsdalur nicht mehr gesehen
hatte. Das junge Paar hatte Freunde getroffen und war mit ihnen zum
Konzert gegangen, während Dóra mit der jüngsten
Generation zurückblieb. Sie hatte Markús’ und
Leifurs Zelt gesucht, und nachdem sie eine Weile durch die engen
Pfade zwischen den Zelten, die alle gleich aussahen, geirrt war,
hatte sie es endlich gefunden.
    Dóra
wurde in dem überfüllten Zelt königlich empfangen
und zu geräuchertem Papageitaucher und Rotwein eingeladen.
Sóley und Orri bekamen so viel Kuchen und Kakao, wie sie
wollten. Dóras Befürchtungen, Leifur und María
seien ihr gegenüber negativ eingestellt, erwiesen sich als
unbegründet. Markús hatte unermüdlich auf sie
eingeredet, sie solle unbedingt kommen. Klara, die Mutter der
beiden Brüder, war zum Glück nicht da – Dóra
war sich ziemlich sicher, dass sie ihr nicht so freundlich gesonnen
war. Das Zelt war mit drei Sofas, einem Kühlschrank und einem
großen Tisch perfekt ausgestattet, sogar Bilder hingen an den
Wänden.
    María
hatte Tränen in den Augen und umarmte Dóra über
den breiten Tisch hinweg, sodass sie fast gestürzt wären.
Es war ungewohnt, die Brüder trinken zu sehen. Keiner von
beiden war wirklich betrunken, aber sie hatten gerötete Wangen
und sprachen lauter als sonst. Leifur mimte den großen
Gastgeber und schenkte Dóra und den anderen Gäste im
Zelt, die sie nicht kannte, immer wieder nach – es sei genug
für alle da. Er saß erst am hinteren Ende des Zelts,
schob sich dann aber durch die Menge und machte es sich neben
Dóra auf der Sofalehne bequem. {344 }»Gute
Arbeit«, flüsterte er ihr ins Ohr und lächelte sie
linkisch an. Bevor Dóra ihn fragen konnte, was er damit
meinte,
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