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Das Glück ist eine Katze

Titel: Das Glück ist eine Katze
Autoren: Eva Berberich
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über, die Katzen.
    »Nicht mal Konrad.«
    Nach ausgiebigem Putzen auch der lang ausgestreckten Hinterschlegel sagte sie: »Ich war bei der Versammlung.«
    »Bei der was?«
    »Bei der Katzenversammlung.«
    »So was gibt’s?«
    »Ihr habt ja keine Ahnung, was es alles gibt«, sagte Schlumpel überheblich und mitleidig zugleich, und da hat sie wohl recht.
    »Aber wer versammelt sich denn?«
    »Alle Katzen, die’s hier gibt.« Sie knabberte an ihrem Schwanz. »Da ist ein Huddelknubbel. Der muß weg.«
    »Ein was?«
    »Das Fell ist verhuddelt und verknubbelt.«
    Als der Huddelknubbel beseitigt war, schleckte sie weiter, von der Wurzel bis zur Spitze.
    »Kommen auch Kater?«
    »Die Kater«, sagte Schlumpel, »haben ihre eigene Versammlung. Da fühlen sie sich sicherer.«
    »Wieso?«
    »Sie glauben immer, wir reden über sie und machen uns über sie lustig.«
    »Und? Stimmt’s?«
    »Klar.«
    |255| »Wo ist denn euer Treffpunkt?«
    »Mal hier, mal da.« Sie gähnte.
    »Wie geht’s zu bei so einer Katzenversammlung? Wählt ihr eine Vorsitzende?«
    »Katzen«, sagte Schlumpel empört, »sitzt niemand vor. Wir sitzen alle im Kreis nebeneinander.«
    »Und was macht ihr?«
    »Müffchen.«
    »Und dann?«
    »Nix. Wir gucken bloß.«
    »Was guckt ihr? Nah oder fern?«
    »Wir gucken«, sagte Schlumpel, »so vor uns hin.«
    »Sehr interessant. Weiter!«
    »Manchmal schnurren wir.«
    »Und was macht ihr noch?«
    »Nix. Wir sind einfach da.«
    »Wie denn?«
    »Wir sind so vor uns hin.«
    »Aber was soll das?«
    »Katzen sollen überhaupt nix.« Schlumpel tatzelte nach einem Nachtfalter.
    »Ich mein, was habt ihr davon?«
    »Wir? Nix.«
    »Ihr faßt keinen Entschluß?«
    Schlumpel gähnte abermals.
    »Klärt ihr wenigstens ein paar Probleme?«
    »Du meinst Huddelknubbel?«
    |256| »Ja.«
    »Wir klären nix.«
    »Wie lange dauert so eine Versammlung?«
    »Bis sie fertig ist.« Schlumpel fixierte den Nachtfalter, der, in selbstmörderischer Absicht, schon wieder um ihren Kopf herumschwirrte.
    »Und wenn ihr lang genug Müffchen gemacht und geschnurrt und gesessen und geguckt und keine Huddel und Knubbel geklärt und
     keine Beschlüsse gefaßt habt?«
    »Gehen wir wieder heim.« Ihr Gähnen war so ansteckend, daß ich mitgähnen mußte.
    Die Mönche in einem taoistischen Kloster, fiel mir dann ein, machen es ähnlich. Sie pflegen stundenlang einfach nur dazusitzen,
     schauen, ohne etwas zu denken, der Zeit beim Vergehen zu. Das verhilft ihnen zur Erleuchtung. Irgendwann. Vielleicht. Eine
     Garantie auf Erleuchtung haben sie allerdings nicht.
    »Euer Rumsitzen«, erklärte ich Schlumpel, »dient vermutlich der Erleuchtung.«
    »Wir brauchen keine«, sagte Schlumpel. »Wir sehen prima im Dunkeln.«
    »Ich meine, der inneren, geistigen Erleuchtung.«
    »Brauchen wir auch nicht. Wir sehen auch innen gut.« Sie erledigte den Nachtfalter mit einem Hieb.
    |257| Da lag ich also falsch. Außerdem: wenn diese Mönche längere Zeit mit untergeschlagenen Beinen sitzen, kriegen sie oft steife
     Gelenke, die Glieder schmerzen, was einer Katze nie passieren würde, und ein Obermönch geht durch die Reihen und haut sie
     mit dem Stock, wenn sie die Haltung verlieren. Ebenfalls undenkbar bei einer Katzenversammlung, daß eine Oberkatze haut.
    »Aber wenn das alles zu nichts gut ist«, sagte ich verärgert, »dann könnt ihr’s auch lassen.«
    »Wenn wir’s lassen, läuft nix mehr. Dann gut’ Nacht!« Schlumpel fraß den Nachtfalter mit Stumpf und Stiel, legte den Kopf
     auf die Pfoten und pfetzte die Augen zu. Der Mond verzog sich hinter eine Wolke. Ich ging schlafen.
     
    Dann gut’ Nacht. War das nun wörtlich zu verstehen oder im übertragenen Sinn? Ich fand keinen Schlaf. Dafür fand ich nach
     langem Herumwälzen heraus, was es mit den geheimnisvollen nächtlichen Katzensitzungen auf sich haben könnte. Hier meine Vermutung.
    In der Unterprima lasen wir, was sich heute kaum mehr ein Deutschlehrer trauen würde, Adalbert Stifters Vorrede zu der Geschichtensammlung
     ›Bunte Steine‹. Darin spricht der Dichter von jenem
Sanften Gesetz,
das allein er als das welterhaltende ansieht. Damals hab ich nicht kapiert, was er |258| meint, es hat mich auch nur mäßig interessiert. Interessant findet man in diesem Alter nicht Sanftmut, sondern große Gefühle,
     dramatische Erscheinungen, Donner und Blitz, nicht Gesetze, sondern deren Übertretung. Je lauter und wilder und pathetischer
     es zugeht, desto besser.
    Nun, in reiferen Jahren, geadelt durch
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