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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
Autoren: Hermann Hesse
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wünschenswert hielt, daß das Glasperlenspiel und die pädagogische Provinz Kastalien einmal realisiert werden. Das Motto, das dem Buch vorangestellt ist, beantwortet diese Frage ebenso eindeutig wie die Widmung, die Hesse für Dr. Josef von Vintschger in ein Exemplar der Erstausgabe notierte: »Wenn Kastalien in Wirklichkeit nie entstehen wird, so hat es doch in diesen zwei Bü
chern eine Vorstufe der Verwirklichung erreicht.« Erste Schritte zur Realisierung der pädagogischen Provinz sind denn in der Tat auch schon unternommen worden mit der in den späten 60er Jahren im Staat New York gegründeten Außenseiter-Kolonie Castalia. Daß sie sich nur wenige Jahre halten konnte, mag mit dem verfrühten Zeitpunkt ihrer Gründung zusammenhängen, insbesondere dem Umstand, daß der von Hesse erst für das 21. Jahrhundert prognostizierte Durchbruch in der Technik des Spiels und seiner praktischen Anwendbarkeit damals noch nicht erreicht war.
    Symptome für die Realisierung dieser Technik glaubte der amerikanische Psychologieprofessor Timothy Leary in der Datenverarbeitung des Computers zu erkennen. In einem 1986 veröffentlichten Essay »Hermann Hesse – ein Prophet des Informationszeitalters« bemerkt er dazu: »Erst seit den elektronischen achtziger Jahren sind die Leser fähig, richtig einzuschätzen, was Hermann Hesse sich zwischen 1931 und 1942 ausgedacht hat. Mit der erstaunlichen Präzision des Hellsichtigen beschrieb er ein postindustrielles Werkzeug, mit dessen Hilfe Gedanken in digitale Elemente umgewandelt und bearbeitet werden konnten . . . Im Glas perlenspiel stellt er eine Soziologie des Computers vor und schildert das Entstehen einer utopischen Subkultur aus dem Gebrauch digitaler Gedächtnisstützung. Hesse beschreibt die Theo
rie des Programmierens. Die Meister unter den Programmierern können jegliche Ideen, jeden Gedanken in den binären Zahlencode übersetzen, der es erlaubt, diese Information mit höchster Geschwindigkeit in jeder Art und Weise zu kombinieren. Mit dem Glasperlenspiel zeichnete Hesse ein Goldenes Zeitalter des Bewußtseins, in dem die Strukturprogrammierer von Kastalien, ähnlich den Chemikern und Physikern, Gedankenmoleküle in Elemente (Perlen) zerlegen und diese zu neue Mustern verweben, die ›singen wie zusammenschwingende Kristalle‹.«
    Bis dahin wird wohl noch einige Zeit vergehen. Einstweilen lesen wir Hesses Alterswerk als Dichtung, denn als solche ist es beabsichtigt, nicht als Sachbuch für Futurologen. »Es ist eine Erzählung und ein Bekenntnis«, schrieb Hesse im Februar 1944 an einen Freund in Basel, »und Aufbau, Tonfall und Farbe sind daran nicht weniger beteiligt als die Gedanken. Das mit der ›Utopie‹, d.h. mit dem Verlegen in die Zukunft ist natürlich nur ein Behelf.« Daß man es dem Buch nicht anmerkt, in welcher Nähe zum Aktuellen es geschrieben ist und daß es wie jede wirkliche Dichtung auch der Zukunft gewachsen ist, bestätigt einmal mehr den Ausspruch von Robert Walser: »Die Dichter haben oft unheimlich lange Rüssel. Sie riechen die kommenden Ereignisse wie Schweine die Champignons.« Das zeigt sich auch in Hesses Vorarbeiten zu diesem Buch.

Fragmente zur Entstehung des Glasperlenspiels
    Diese teils als Handschriften, teils als Typoskripte in Hesses Nachlaß überlieferten Papiere ermöglichen einen faszinierenden Einblick in die Genese des Romans. Insbesondere illustrieren sie den zeitkritischen Anlaß seiner Entstehung und den Prozeß einer zunehmenden Ausweitung der ursprünglich nur auf den Nationalsozialismus gemünzten Auseinandersetzung mit den Methoden totalitärer Regime, gleich welcher ideologischen Verbrämung. Schon 1931 notierte Hesse den damals beabsichtigten Schluß des Buches. Es sollte enden mit einer Unterredung zwischen Josef Knecht und »dem Führer der Diktatur« über das Verhältnis zwischen Geist und Politik. Hitlers Absicht »die Jugend dressieren wir für den neuen Staat von Anfang an«, die auf eine Auslöschung der Einzelpersönlichkeit zugunsten des bedingungslosen Gehorsams nach Devisen wie »Du bist nichts, Deutschland ist alles!« oder »Führer befiehl, wir folgen!« zielte, war für Hesse schon damals so offensichtlich, daß er darauf reagieren mußte. So weigert sich Josef Knecht, auf die Forderung des Diktators einzugehen, »sein Institut dem Staat zu unterstellen und die ihm vom Staat überwiesenen jungen Leute auszubilden, damit so der Geist mit der Politik und Aktion verbunden werde«. Damit hat er
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