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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
Autoren: Hermann Hesse
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Ausbildungswesen zugleich die Eliteschulen der pädagogischen Provinz Kastalien, in der sich das Leben Josef Knechts abspielt. Sein Biograph, Lehrer am kastalischen Internat von Waldzell, versucht etwa um 2400, also 200 Jahre nach Knechts Tod, anhand der überlieferten autobiographischen und zeitgeschichtlichen Quellen das Leben des »großen Abtrünnigen« darzustellen. Die Zukunft um das Jahr 2200, in der Knecht lebt, ist jedoch kein Sciencefiction-Szenario, wie sie u.a. Jules Verne oder die Engländer H. G. Wells in Romanen wie Men like Gods (1923), Aldous Huxley in Brave New World (1932) oder George Orwell in 1984 (1949) beschworen hatten, um damit die Alpträume des technisch Machbaren an die Wand zu malen. Die Zukunftsvision von Josef Knechts Werdegang verzichtet auf alles Apokalyptische. Sie hat keinen prognostischen, sondern therapeutischen Ehrgeiz. So bündelt und aktualisiert sie im Gegenteil vor allem jene Traditionen aus
der Kulturgeschichte der Menschheit, die sich als konstruktiv und hilfreich erwiesen haben, um die Evolution einer Humanisierung zu fördern und die Menschen für den verantwortlichen Umgang mit ihren technologischen Errungenschaften mündig zu machen. Daß beim Lesen von Knechts Biographie der Eindruck entsteht, als könne man sie durchaus auch um ebenso viele Jahre zurückdatieren, wie Hesse sie vordatiert hat, ist beabsichtigt, weil bis heute noch nicht praktiziert wurde, was schon seit Konfuzius, Lao Tse, der Tugendlehre des Sokrates, der Ethik des Thomas von Aquin bekannt war. »Sie sollte gleichzeitig in verschiedenen Zeitaltern, gewesenen und künftigen, spielen, zugleich als Utopie wie Rückblick, die Unzerstörbarkeit des Geistes lobpreisen« (aus einem Brief vom Frühjahr 1934 an Alfred Kubin).
    Das kastalische Bildungssystem ist eine Pädagogik ohne Zwänge. Als Stipendiat der Lateinschule seines Heimatortes Berolfingen fällt der ohne Eltern aufwachsende Josef Knecht den Lehrern durch seine musikalische Begabung auf. Besondere Talente, gleich welcher Richtung, werden der Erziehungsbehörde der Eliteschulen gemeldet, die daraufhin einen ihrer Repräsentanten zur Begutachtung der empfohlenen Schüler entsenden. Der Musikmeister, von dem Josef aufgesucht und zum gemeinsamen Musizieren eingeladen wird, gewinnt sofort das Vertrauen des Zwölf
jährigen durch sein freundliches, unautoritäres Verhalten, das keinerlei Prüfungsangst aufkommen läßt. Dieser Gesandte der pädagogischen Provinz schüchtert nicht ein, sondern fasziniert durch sein Vorbild. Knecht bewährt sich und wird im Alter von 17 Jahren nach Eschholz, in eine der vier kastalischen Grundschulen, berufen und danach – da er sich nicht für die Ausbildung zu einem der freien Berufe entscheidet – in das Internat von Waldzell aufgenommen, ein ehemaliges Zisterzienserkloster, das einmal mehr an Maulbronn erinnert, wo Hesse Seminarist war und wo auch seine Romane Unterm Rad und Narziß und Goldmund spielen. Waldzell, eine Institution, welche Gymnasium und Universität verbindet, macht seine Schüler mit dem aktuellen Stand in sämtlichen Wissensgebieten bekannt sowie mit den Techniken des Glasperlenspiels, welches das System ihrer gemeinsamen Bezüge kompatibel macht. Denn erst die Verbindung von Fachwissen und Spieltechnik ermöglicht es, die unterschiedlichsten Wissensbereiche miteinander zu verknüpfen, um z.B. die Entsprechungen von Mathematik und Musik, von physikalischen und philosophischen Gesetzen, von Tonarten und Farbskalen oder die Melodie eines Prosasatzes nachweisen und meßbar machen zu können, Farben hörbar und Töne sichtbar werden zu lassen.
    Im Alter von 22 bis 25 Jahren ist für die Eliteschüler das Studium beendet. Sie sind damit Mitglieder des
weltlichen Ordens Kastalien und verlassen den Gelehrtenstaat, um die öffentlichen Schulen und Universitäten mit Fachlehrern zu versorgen. Doch auch dann noch bleiben sie dem Orden verbunden und unterstehen der kastalischen Regel, die sie – der selbstlosen Hingabe an ihre pädagogische Aufgabe wegen – zur Besitz- und Ehelosigkeit verpflichtet. Nur eine Minorität der qualifiziertesten Absolventen bleibt für Kastalien selbst und einem beschaulich-fleißigen Forscherleben von unbegrenzter Dauer vorbehalten. Aus ihnen rekrutiert sich die Hierarchie der Pädagogischen Provinz, die aus zwanzig demokratisch gewählten Repräsentanten besteht, jeweils zehn Mitgliedern der Erziehungsbehörde und des Ordens, dem Ordensmeister sowie zwölf
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