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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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gesucht hat.»
    Als ihre Hütte in Sicht kam, verdüsterte sich Hannas Stimmung schlagartig. Jetzt holt es mich wieder ein, dachte sie erschrocken. Marie weiß doch noch gar nichts. Wie soll ich es ihr bloß beibringen?
    «Marie?» Hanna fasste sich ans Herz. Ihre Stimme zitterte, und ihre Augen waren voller Tränen.
    «Ja?»
    «Arndt und ich, wir werden jetzt allein für dich sorgen   … sorgen müssen   …»

4
    Das Feuer wütete einen Tag lang und vernichtete an die neunzehn Morgen Wald. Dass nicht noch größere Flächen abbrannten, dafür gab es nur eine vernünftige Erklärung: Gott hatte ein Wunder geschehen lassen. So sahen es vor allem Hanna und Arndt, aber auch Hegemeister Bernward Burmeister, als er in den späten Morgenstunden des folgenden Tages sein Pferd sattelte und in Richtung Wald aufbrach. Er sollte von Amts wegen die Schäden melden, die das Feuer am Wachsenberg angerichtet hatte, denn das Territorium der freien Reichsstadt Rothenburg beschränkte sich nicht nur auf die Stadt allein, sondern umfasste ein Gebiet, das nicht ganz fünfzig Quadratmeilen maß und eine Grenzlänge aufwies, die mit ungefähr achteinhalb Meilen in zwei Tagesritten gerade noch zu bewältigen war.
    Ja, es ist ein Wunder, dachte Bernward, als er das Galgentor hinter sich gelassen hatte und sein Pferd zu einem forschen Trab anhielt. Er schaute kurz in den grauen Himmel, dann streckte er die rechte Hand aus und bewegte die Finger. Na also, geht doch schon wieder, dachte er zufrieden. Soll er eben schief stehen, der Ringfinger. Steckt ja eh kein Ring dran.
    Er wich einem Ochsengespann aus und runzelte die Stirn, weil sich die schweren Holzräder auch ohne Beladungeingruben. Nur ein paar Stunden Regen und schon beginnt wieder die Schlammzeit, dachte er besorgt. Dieser Schnürregen wird die Erde aufweichen wie Wasser einen Kanten Altbrot. So ist das eben, aber es gibt Schlimmeres. Er wandte seinen Blick auf seine festen Stiefel, die neuen Gamaschen und freute sich. Auch als ihm das Wasser von der Hutkrempe in den Nacken zu tropfen begann, dämpfte dies nicht seine ausgeglichene Stimmung.
    Es ist alles gutgegangen, sinnierte er. Selbst das Erdbeben hat nur ein paar Risse in Haus- und Kirchenwänden hinterlassen. Der Herr hat uns mit seinem Zorn erschüttert und mit dem Schrecken davonkommen lassen. Aber was will er uns damit sagen? Welche Sünden sind es, denen wir abschwören sollen?
    Er fand keine Antwort, doch als er den Rand des Waldbrandareals erreichte, wurden all diese Fragen nebensächlich. Noch nie hatte er ein solch trostloses Bild gesehen. Ihm war, als würden die entlaubten Baumskelette stumm den Regen anklagen, warum er so spät eingesetzt habe. Die Stille war unheimlich, kein Vogel war zu hören, nirgendwo ein Knistern. Dazu kam der bitter brandige Geruch, der den verkohlten und hie und da noch gespenstisch qualmenden Bäumen entströmte. Als ob es Galle geregnet hätte, dachte Bernward und ritt langsam weiter. Sein Brauner schauderte, als er ihn durch den klebrigen weißen Aschebrei lenkte, aus dem an einer Stelle eine schwarze Kugel ragte, die einmal ein Igel gewesen war.
    Hoffentlich tragen die armen Köhlersleute keine Schuld an diesem Feuer, dachte Bernward. Sie darben schon genug. Dennoch gehen viele Waldbrände auf den Funkenflug eingestürzter Kohlenmeiler zurück. Immer noch werden sie viel zu nah am Unterholz aufgebaut.
    Bernward hing noch eine ganze Weile seinen Gedanken über den entstandenen Waldschaden nach, bis erendlich den Rand der Lichtung erreicht hatte und die halb eingestürzte Köhlerhütte sah. Einige Meter daneben lag ein Schutthaufen.
    Er stieg vom Pferd und schritt langsam auf die Hütte zu. Und obwohl keine menschliche Stimme zu hören war, erschien ihm die Stille keineswegs unheimlich, sondern friedlich. Nur das feine Gewisper des Regens war zu hören. Als ob er wiedergutmachen will, was die Flammen zerstört haben, dachte er unwillkürlich. Gott möchte, dass schnell neues Grün wächst.
    Ob der Köhler wohl zu Hause war? Oder holte er bereits neues Holz für sein Dach? Ich werde in jedem Fall mit ihm sprechen, nahm sich Bernward vor, wenn nicht heute, dann morgen. Neugierig duckte er sich unter den noch stehenden Türbalken und trat ein. In der dunkelsten Ecke entdeckte er drei schlafende Personen. Der links wird dem Alter nach der Köhlersohn sein, dachte er bei sich. Die Kleine in der Mitte und die Große daneben sind dann bestimmt seine Geschwister. Alle Decken überlappten sich,
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