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Das Gesetz der Freiheit

Das Gesetz der Freiheit

Titel: Das Gesetz der Freiheit
Autoren: Charles Gray
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ehe er den roten Fleck bemerkte.
    Sie war tot.
    Er war selbst überrascht, als er feststellte, daß Tränen über seine Wangen rollten.
     
    *
     
    Die Morgendämmerung kam. Sie brachte nebeligen Nieselregen mit und eine frostige Vorahnung des nahenden Winters. Ein kaltes, graues Licht erfüllte das Zimmer, und das harte Klacken eilender Füße hallte schwach von der Straße herauf, die zum Leben eines neuen Tages erwachte. Ein Stratokreuzer zischte unter hohem, hellem Pfeifen seiner Antriebsraketen hoch über ihnen dahin, und einen Augenblick lang klirrten die bruchsicheren Fensterscheiben als Antwort auf das ferne Surren. Dann verklang das Geräusch, und in der folgenden Stille schienen die kleinen beiläufigen Laute des Alltags seltsam starr und fast dröhnend.
    Noch immer im Morgenrock und mit Hausschuhen stand Dell im Zimmer.
    Er fuhr beim Klang eines scharfen Geräusches zusammen. Hauptmann Hanson, der Chef der Haus-Wache, schnallte seine Waffe wieder ans Koppel. Er gab sich Mühe, ein wenig teilnahmsvoll auszusehen. Es gelang ihm jedoch nicht. Mitleid und Teilnahme waren ihm vollkommen fremd, er hatte schon zu oft dem Tod zugeschaut, viel zuviel Leid und Elend mit ansehen müssen, als daß er hätte anders als hart und zynisch sein können.
    „Darf ich Sie wohl um die Freundlichkeit bitten, Herr Weston, mir ein paar Angaben zu machen?“ murmelte er. „Um fünf Uhr dreißig haben Sie Alarm gegeben, nicht wahr?“
    „Genau.“
    „Und die Wirkung Ihres Anrufs entsprach Ihren Erwartungen?“
    „Unbedingt.“ Müde fuhr sich Dell mit zitternder Hand durchs zerzauste Haar. „Ich kann der Wachmannschaft nicht den geringsten Vorwurf machen. Als ich Alarm gab, hatte der Mörder ja tatsächlich die Schüsse schon abgegeben.“
    „Aha!“ Hanson runzelte die Stirn. „Sie können sich also über irgendeine Nachlässigkeit der Wache nicht beschweren?“
    „Nein.“
    „Gut.“ Der Hauptmann blickte erleichtert drein. „Sie wissen ja, wie es heute ist. Wir mögen uns noch so viel Mühe geben, noch so schnell reagieren, einen noch so tadellosen Ruf haben. Wenn bloß jemand irgendeine Verleumdung tuschelt und uns etwas am Zeuge flickt, sind wir schon entlassen. Wenn ich recht verstanden habe, öffneten Sie also das Fenster, beugten sich hinaus, um ein bißchen frische Luft zu schnappen, und da gab der Mörder vom Dach des gegenüberliegenden Hauses Feuer. War es so?“
    „Jawohl.“
    „Und Sie haben das Fenster tatsächlich geöffnet?“
    „Ich habe Ihnen doch schon ein paarmal gesagt, daß ich es aufgemacht habe. Was wollen Sie denn noch?“
    „Nichts, Herr Weston. Offenbar also ist es vor allem Schuld der Wache im gegenüberliegenden Gebäude.“ Der Hauptmann gab sich Mühe, seine Befriedigung und Erleichterung nicht gar zu deutlich zu verraten. Und er war viel zu diszipliniert und gut erzogen, als daß er seiner festen Meinung Ausdruck gegeben hätte: er war jedoch felsenfest davon überzeugt, daß jemand, der so verrückt war, sich in einem geöffneten, hellerleuchteten Fenster als Ziel buchstäblich darzubieten, nicht Besseres verdient hatte, als Kummer zu erleben.
    „War das alles?“
    „Gewiß, Herr Weston.“ Hanson stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, drückte als Unterschrift seinen Daumenabdruck unter ein Dokument und hielt Dell eine zweite Ausfertigung hin, damit auch er es bestätige.
    „Würden Sie diese Bescheinigung wohl unterschreiben und siegeln? Sie reinigt uns von allem Verdacht und von aller Schuld. Und Sie dürfen sich darauf verlassen, daß ich dafür sorgen werde, daß die Wache drüben im anderen Haus innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden abgelöst wird. Hier ist meine eidesstattliche Erklärung über den Tod Ihrer Gattin. Eine Kopie schicke ich wie üblich ans Zentralarchiv.“
    Dell starrte auf das weiße Blatt Papier und schaute dann stirnrunzelnd den Wachoffizier an.
    „Brauche ich das denn?“
    „Es könnte einmal von Nutzen sein, Herr Weston.“
    „Sie meinen, womöglich könnte einer Bunco-Gruppe der Verdacht kommen, ich hätte meine Frau selbst umgebracht?“
    „An sich finde ich das nicht sehr wahrscheinlich; aber Versieht schadet niemals!“
    „Jetzt lassen Sie mich bitte allein.“
    Leise schloß sich die Tür hinter der breitschultrigen Gestalt des Wachbeamten, und voll bitterer Gedanken starrte Dell auf das seltsame Dokument. Wenn man ihm die Schuld am Tode seiner Frau zuschob, dann mußten die Bunco-Leute ihren Statuten folgen, die sie
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