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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe
Autoren: Anne Rice
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archiviert und gepflegt werden müssen.»
    «Das ist wahr. Ich habe viel Zeit in den Bibliotheken von Berkeley und Stanford verbracht», sagte Reuben. «Hat er selbst auch Bücher veröffentlicht? Ich meine über seine Funde?»
    «Nicht dass ich wüsste.»
    «Glauben Sie denn, dass Felix und Margon die letzte Reise zusammen gemacht haben?»
    Marchent nickte. «Was immer passiert ist, hat beide getroffen. Mein schlimmster Albtraum ist, dass allen das Gleiche passiert ist.»
    «Allen sechs?»
    «Genau. Schließlich hat sich keiner von ihnen je wieder gemeldet und nach Felix gefragt. Zumindest weiß ich nichts davon. Es kamen auch keine Briefe mehr, dabei hat es vorher eine rege Korrespondenz gegeben. Ich habe viel Zeit und Mühe investiert, um sie zu finden, aber als ich ihre alten Briefe endlich aufgestöbert hatte, enthielten sie keine Absender, jedenfalls keine identifizierbaren, und so erwies sich auch das als Sackgasse.»
    Reuben versuchte zu begreifen, was das zu bedeuten hatte, und fragte: «Also sind alle wie vom Erdboden verschluckt?»
    «Ganz genau.»
    «Gibt es denn keine Aufzeichnungen über die Reise, die Felix machen wollte?»
    «Doch, das nehme ich an. Aber niemand konnte seine privaten Aufzeichnungen je lesen, weil er dafür eine Art Geheimschrift erfunden hat. Niemand außer den anderen fünf konnte sie lesen. Sie haben alle diese Geheimschrift benutzt, jedenfalls hatte ich den Eindruck, als ich später ihre Briefe und Notizen fand. Sie haben sie nicht immer benutzt, aber offenbar beherrschten sie sie alle. Sie wird nicht mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Ich kann sie Ihnen zeigen. Vor ein paar Jahren habe ich sogar ein Computergenie angeheuert, um den Code zu knacken, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen.»
    «Unglaublich. Meine Leser werden fasziniert sein. Das Haus könnte zu einer richtigen Touristenattraktion werden.»
    «Aber es ist nichts Neues. Sie kennen doch die alten Artikel über Onkel Felix.»
    «In den alten Artikeln geht es aber immer nur um Felix. Kein Wort von seinen Freunden. Was Sie mir hier erzählen, ist viel detaillierter. Es ist Stoff für einen Dreiteiler.»
    «Klingt gut», sagte Marchent. «Schreiben Sie einfach, was Ihnen wichtig ist. Und wer weiß … Vielleicht weiß einer Ihrer Leser ja, was aus den sechs geworden ist.»
    Das war tatsächlich möglich. Trotzdem wollte Reuben keine falschen Hoffnungen wecken, nachdem Marchent seit zwanzig Jahren mit dieser Tragödie gelebt hatte.
    Sie führte ihn aus der Bibliothek.
    Reuben sah sich noch einmal nach den beeindruckenden Männern auf dem Foto um.
Wenn ich das Haus tatsächlich kaufe
, dachte er,
werde ich das Foto nicht abnehmen. Falls Marchent es mir überlässt oder ich mir eine Kopie anfertigen darf. Schließlich sollte Felix Nideck in irgendeiner Form in diesem Haus präsent bleiben.
    «Sie würden dem neuen Eigentümer bestimmt nicht dieses Foto überlassen, oder?», fragte er.
    «Doch, ich denke schon», sagte Marchent. «Ich habe es ja im Kleinformat. Das Haus steht mit dem gesamten Mobiliar zum Verkauf.» Sie machte eine ausladende Handbewegung, als sie durch die weitläufige Diele gingen. «Habe ich das nicht erwähnt? Kommen Sie, ich zeige Ihnen noch schnell den Wintergarten, bevor es Zeit zum Essen ist. Felice ist taub und fast blind, aber sie verfügt über eine innere Uhr und legt Wert auf Pünktlichkeit.»
    «Es riecht schon nach Essen», sagte Reuben. «Köstlich.»
    «Ein junges Mädchen aus dem Dorf geht ihr zur Hand. Die jungen Leute hier in der Gegend sind alle ganz wild darauf, dieses Haus von innen zu sehen, und verlangen kaum Geld, wenn man ihnen hier irgendeinen Job anbietet. Ich merke übrigens gerade, wie hungrig ich bin.»
    Der Wintergarten im Westflügel war voller alter orientalischer Töpfe in phantastischen Farben, aber die Pflanzen darin waren verdorrt. Die gusseisernen Pfeiler, von denen die Glaskuppel gestützt wurde, waren weiß angemalt und erinnerten Reuben an ausgeblichene Knochen. In der Mitte des schwarzen Granitfußbodens befand sich ein Springbrunnen. Hierher wollte Reuben am Morgen noch einmal zurückkommen, wenn das Licht von drei Seiten hereinfiel. Jetzt war es hier nur feucht und kalt.
    «Bei gutem Wetter hat man dort eine schöne Aussicht.» Marchent zeigte auf die Glastüren, die ins Freie führten. «Einmal wurde hier drinnen sogar eine Party gefeiert. Die Leute tanzten hier und auf der Terrasse, bis hinunter zu dem Geländer am Rand der Klippe. Felix’ Freunde
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