Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Vendôme bekommen, hier bringe ich sie Ihnen.«
    »Schön! Gehen wir zu mir … Hier ist heute nichts zu machen.«
    Saccard hatte einen flackernden Blick auf die große Ledertasche geworfen. Er wußte, daß darin zwangsläufig die vom Kurszettel gestrichenen Papiere, die Aktien der bankrotten Gesellschaften, verschwanden, mit denen die »Naßfüßler« noch spekulieren, Aktien von fünfhundert Francs, die sie sich für zwanzig, für zehn Sous streitig machen in der unsicheren Hoffnung auf ein unwahrscheinliches Wiederanziehen des Kurses oder die sie zweckmäßigerweise gleich als strafbare Ware handeln, um sie mit Gewinn den Bankrotteuren abzulassen, die ihre Passiva28 aufblähen wollen. In den mörderischen Schlachten der Finanzwelt war die Méchain der Rabe, der den marschierenden Armeen folgt; nicht eine Gesellschaft, nicht ein großes Kreditinstitut brach zusammen, ohne daß sie mit ihrer Tasche erschien, ohne daß sie, selbst in den glücklichen Stunden der triumphierenden Emissionen29, die Leichen in der Luft witterte; denn sie wußte wohl, daß die Niederlage unabwendbar war, daß der Tag des Gemetzels kommen würde, an dem es Tote zu fressen und Wertpapiere für umsonst im Schlamm und im Blut aufzulesen gab. Und ihm, der sein großes Bankprojekt erwog, schauderte leicht; eine Vorahnung durchzuckte ihn beim Anblick dieser Tasche, dieses Beinhauses der entwerteten Aktien, in dem alles aus der Börse gefegte schmutzige Papier verschwand.
    Als Busch die alte Frau mitnehmen wollte, hielt ihn Saccard zurück.
    »Dann kann ich also hinaufgehen und treffe Ihren Bruder bestimmt an?«
    Die Augen des Juden blickten mit einemmal sanft und drückten eine unruhige Überraschung aus.
    »Meinen Bruder, aber sicher! Wo soll er denn sonst sein?«
    »Sehr schön, bis gleich!«
    Und Saccard, der die beiden gehen ließ, setzte entlang den Bäumen seinen langsamen Gang zur Rue Notre-Dame-des-Victoires fort. Auf dieser Seite des Platzes herrscht besonders reger Verkehr; Geschäfte und Etagenfirmen, deren goldene Schilder in der Sonne aufflammten, nehmen die ganze Front ein. Markisen knatterten an den Balkonen, eine Familie aus der Provinz stand offenen Mundes am Fenster einer Pension. Mechanisch hob Saccard den Kopf und betrachtete diese Leute, deren Verblüffung ihn lächeln ließ und ihn in dem Gedanken bestärkte, daß es in der Provinz immer Aktionäre geben würde. Hinter seinem Rücken hielt der Aufruhr der Börse, das Rauschen einer fernen Flut an, verfolgte ihn wie eine Drohung, ihn einzuholen und zu verschlingen.
    Aber eine neuerliche Begegnung hielt ihn fest.
    »Wie, Jordan, Sie an der Börse?« rief er und drückte einem großen braunhaarigen jungen Mann mit einem kleinen Schnurrbärtchen und entschlossener, eigensinniger Miene die Hand.
    Jordan, dessen Vater, ein Bankier aus Marseille, seinerzeit nach unseligen Spekulationen Selbstmord begangen hatte, klapperte seit zehn Jahren, besessen von der Literatur, in einem tapferen Kampf gegen das graue Elend das Pariser Pflaster ab. Ein Vetter von ihm, der in Plassans ansässig war und dort Saccards Familie kannte, hatte ihn seinerzeit Saccard empfohlen, als dieser in seinem Haus am Parc Monceau ganz Paris empfing.
    »Oh, ich an der Börse, niemals!« erwiderte der junge Mann mit einer heftigen Gebärde, als wollte er die tragische Erinnerung an seinen Vater verscheuchen.
    Dann lächelte er wieder.
    »Sie wissen doch, daß ich mich verheiratet habe … Ja, mit einer früheren Spielgefährtin. Wir hatten uns zu einer Zeit verlobt, da ich noch reich war, und sie hat es sich in den Kopf gesetzt, trotz allem den armen Teufel zu wollen, der ich geworden bin.«
    »Ganz recht, ich habe ja die Anzeige bekommen«, sagte Saccard. »Und stellen Sie sich vor, ich stand vor Jahren in Verbindung mit Ihrem Schwiegervater, Herrn Maugendre, als er seine Zeltplanenfabrik in La Villette hatte. Er muß sich dabei ein hübsches Vermögen verdient haben.«
    Dieses Gespräch fand in der Nähe einer Bank statt, und Jordan unterbrach Saccard, um ihm einen dicken, untersetzten Herrn von militärischem Aussehen vorzustellen, der dort saß und mit dem er zuvor geplaudert hatte.
    »Hauptmann Chave, ein Onkel meiner Frau … Frau Maugendre, meine Schwiegermutter, ist eine Chave aus Marseille.«
    Der Hauptmann hatte sich erhoben, und Saccard begrüßte ihn. Er kannte dieses apoplektische Gesicht mit dem vom Tragen des Uniformkragens steif gewordenen Hals vom Sehen, Chave war einer jener kleinen Spekulanten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher