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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18
Autoren: Émile Zola
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schwarze Flecken zeigten, die Männer der Börse.
    »Ich sage es Ihnen noch einmal«, sagte Moser mit seiner weinerlichen Stimme, »daß diese Nachwahlen vom 20. März7 ein höchst beunruhigendes Symptom sind … Schließlich ist heute ganz Paris der Opposition ergeben.«
    Aber Pillerault zuckte mit den Schultern. Carnot8 und Garnier-Pagès9 auf den Bänken der Linken, was konnte das schon ausmachen?
    »Das ist wie mit der Frage der Herzogtümer10«, fing Moser wieder an, »das kann eine Menge Verwicklungen geben … Ganz bestimmt! Aber lachen Sie ruhig. Ich sage ja nicht, daß wir Preußen hätten den Krieg erklären müssen, um es daran zu hindern, sich auf Kosten Dänemarks zu mästen; allein es gab Mittel und Wege zu handeln … Ja, ja, wenn die Großen erst anfangen, die Kleinen aufzufressen, weiß man nie, wo das aufhört … Und was Mexiko betrifft ..11.«
    Pillerault, der einen seiner restlos zufriedenen Tage hatte, brach in Lachen aus.
    »Ach nein, mein Lieber! Hören Sie doch auf, uns mit Ihren Schauergeschichten über Mexiko zu langweilen … Mexiko wird einmal das Ruhmesblatt dieser Regierung sein … Woher, zum Teufel, wollen Sie wissen, daß das Kaiserreich12 krank ist? Wurde nicht im Januar die Dreihundertmillionenanleihe um mehr als das Fünfzehnfache überzeichnet? Ein überwältigender Erfolg … Passen Sie auf, wir sprechen uns 67 wieder, in drei Jahren, wenn die Weltausstellung13 eröffnet wird, die der Kaiser14 soeben beschlossen hat.«
    »Ich sage Ihnen, die Dinge stehen schlecht!« bekräftigte Moser verzweifelt.
    »Ach, lassen Sie uns in Frieden, die Dinge stehen gut!«
    Salmon sah die beiden an und lächelte tiefgründig. Und Saccard, der ihnen zugehört hatte, führte die Krise, in die das Kaiserreich zu geraten schien, auf die Schwierigkeiten seiner persönlichen Lage zurück. Er selbst war wieder einmal am Boden: sollte dieses Kaiserreich, das ihn hervorgebracht hatte, pleite gehen wie er und plötzlich vom höchsten Glück ins tiefste Elend stürzen? Ach, zwölf Jahre lang hatte er es geliebt und verteidigt, dieses Regime, unter dem er gespürt hatte, wie er auflebte, wie er gedieh, sich mit Saft füllte wie der Baum, dessen Wurzeln sich in das nährende Erdreich senken! Aber wenn sein Bruder ihn da herausreißen wollte, wenn er ihn abschneiden wollte von denen, die den fetten Boden der Genüsse aussaugten, dann sollte auch alles hinweggerafft werden in dem großen letzten Zusammenbruch der nächtlichen Feste!
    Jetzt wartete er auf seinen Spargel, in Erinnerungen versunken, weit weg von diesem Saal, in dem das hektische Treiben unaufhörlich zunahm. In einem breiten Spiegel gegenüber hatte er sein Bild erblickt und war überrascht. Das Alter nagte noch längst nicht an seiner kleinen Person, mit seinen fünfzig Jahren schien er kaum erst achtunddreißig und war noch genauso mager und lebhaft wie als junger Mann. Mit den Jahren hatte sein dunkles, eingefallenes Kasperpuppengesicht mit der spitzen Nase und den kleinen leuchtenden Augen sogar gewonnen, hatte den Reiz dieser andauernden, so geschmeidigen und unternehmungslustigen Jugend angenommen; in seinem buschigen Haar schimmerte noch kein weißes Härchen. Und er konnte nicht umhin, sich seiner Ankunft in Paris am Tage nach dem Staatsstreich15 zu entsinnen, als er an einem Winterabend mit leeren Taschen und ausgehungert auf dem Pflaster lag und einen wahren Anfall von Begierden zu befriedigen hatte. Ach, dieser erste Streifzug durch die Straßen! Noch ehe er seine Koffer ausgepackt, hatte er das Verlangen verspürt, sich mit seinen schiefgelaufenen Stiefeln und seinem speckigen Überzieher in die Stadt zu stürzen, um sie zu erobern! Seit diesem Abend war er oft sehr hoch gestiegen, ein Strom von Millionen war durch seine Hände geflossen, ohne daß ihm jemals das Glück wie ein Sklave gehört hatte, wie ein Ding, über das man verfügt, das man unter Verschluß hält, lebendig und greifbar. Immer hatten die Lüge, der Schein seine Kassen bewohnt, die sich durch unsichtbare Löcher ihres Goldes zu entleeren schienen. Nun lag er wieder auf der Straße wie in der fernen Zeit des Aufbruchs, ebenso jung, ebenso ausgehungert, immer noch unbefriedigt und gequält von dem gleichen Verlangen nach Genüssen und Eroberungen. Er hatte von allem gekostet, und er hatte sich nicht satt gegessen, da er, wie er glaubte, weder Gelegenheit noch Zeit gehabt hatte, tief genug in die Menschen und in die Dinge hineinzubeißen. In dieser Stunde empfand er das
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