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Das Geheimnis von Sittaford

Das Geheimnis von Sittaford

Titel: Das Geheimnis von Sittaford
Autoren: Agatha Christie
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anzunehmen, dass er bei dem Hundewetter irgendwo im Freien ist.»
    «Richtig.»
    «Das ist eigenartig», wiederholte Graves.
    Angesichts dieser Schwerfälligkeit verlor der Major die Geduld.
    «Wollen Sie jetzt etwas unternehmen oder nicht?», fragte er bissig. «Unternehmen…?» Constable Graves überlegte. «Meinen Sie, ihm ist schlecht geworden. Ah…» – sein Gesicht hellte sich auf –, «ich werde versuchen, ihn telefonisch zu erreichen.»
    Aber auf das Klingeln des Telefons reagierte Captain Trevelyan ebenso wenig wie auf die Türglocke.
    «Teufel auch, das sieht wirklich so aus, als ob ihm etwas zugestoßen wäre», sagte der Polizist, als er den Hörer auflegte. «Noch dazu ist er ganz allein. Am besten nehmen wir auch Dr. Warren gleich mit.»
    Der Arzt bewohnte das Nachbarhaus und hatte sich mit seiner Frau gerade zum Essen niedergesetzt, so dass ihm die Störung höchst unwillkommen war. Trotzdem willigte er, wenn auch grollend, ein, die beiden zu begleiten.
    Noch immer wirbelten draußen dicke Flocken hernieder.
    «Verdammter Winter!», fluchte der Doktor. «Hoffentlich haben Sie mich nicht umsonst in diese Kälte hinausgejagt. Trevelyan ist ein Bär von einem Mann, dem noch nie etwas gefehlt hat.»
    Major Burnaby antwortete nicht.
    Als aus dem kleinen Haus an der Stadtgrenze nach abermaligem Klingeln und Pochen wieder kein Lebenszeichen drang, schlug Dr. Warren vor, zu einem der rückwärtigen Fenster zu gehen.
    «Es ist leichter einzuschlagen als die Tür.»
    Auf ihrem Weg dorthin kamen sie an dem seitlichen Nebeneingang vorbei, der aber gleichfalls verschlossen war. Dann betraten sie die schneebedeckte Rasenfläche, die sich bis zu den hinteren Fenstern erstreckte. Und plötzlich stieß Warren einen Ruf des Erstaunens aus.
    «Mein Gott, das Fenster des Arbeitszimmers steht auf.»
    Tatsächlich war das französische Fenster nur angelehnt. Was bedeutete das…? Kein Mensch mit Verstand saß bei dieser Eiseskälte bei geöffnetem Fenster da. Im Zimmer brannte Licht. Es schlängelte sich als schmales, gelbes Band durch den Türspalt. Burnaby trat zuerst ein, ihm folgte dicht auf den Fersen der Constable, und beide Männer blieben drinnen wie erstarrt stehen. Im nächsten Augenblick stand Dr. Warren neben ihnen und sah, was sie entdeckt hatten.
    Mit dem Gesicht nach unten und die Arme weit von sich gestreckt lag Captain Trevelyan auf dem Boden. Im Zimmer selbst herrschte eine wilde Unordnung: Schubladen halb herausgerissen, Papiere über das Parkett verstreut, und das Fenster an der Stelle, wo man es mit Gewalt aufgebrochen hatte, zersplittert. Neben Captain Trevelyan lag eine dunkelgrüne Filzröhre, etwa fünf Zentimeter im Durchmesser.
    Im Nu kniete der Arzt neben der leblosen Gestalt. Eine Minute genügte ihm. Als er sich wieder erhob, war sein Gesicht aschfahl.
    «Ist er tot?», fragte Burnaby.
    Dr. Warren nickte und drehte sich dann zu Graves um.
    «Das Weitere haben Sie zu veranlassen. Ich kann hier nichts tun, als den Leichnam zu untersuchen, und vielleicht ist es Ihnen lieber, wenn ich damit bis zum Eintreffen des Inspektors warte. Die Todesursache vermag ich Ihnen auch schon zu sagen: Schädelbruch, offenbar damit beigebracht.» Er wies auf die grüne Filzröhre.
    «Trevelyan hatte sie immer unten quer vor der Tür liegen, um die Zugluft abzuhalten», erklärte Burnaby, und seine Stimme klang heiser vor Erregung. «Sie ist mit Sand gefüllt und ziemlich schwer.»
    «Ja… eine sehr wirksame Form eines Sandsacks.»
    «Mein Gott!»
    «Aber… aber…», stammelte der Polizist, dessen Hirn erst jetzt zu begreifen begann. «Die Herren meinen also, hier läge ein Mord vor?»
    Erschüttert schritt er zum Tisch, auf dem das Telefon stand. Major Burnaby näherte sich dem Arzt.
    «Haben Sie eine Ahnung, wie lange er schon tot ist, Doktor?», stieß er schweratmend hervor.
    «Ungefähr zwei Stunden, möglicherweise auch drei. Doch das ist eine grobe Schätzung.»
    Burnaby netzte seine trockenen Lippen mit der Zunge. «Würden Sie sagen, dass er um fünf Uhr fünfundzwanzig getötet wurde?»
    Der Arzt maß ihn mit einem Blick, in dem Neugier und Befremden zugleich lagen.
    «Wenn ich eine Zeit anzugeben hätte, würde ich etwa diese Stunde nennen», entgegnete er nach einigem Nachdenken.
    «Barmherziger Himmel!»
    Major Burnaby schwankte wie ein Betrunkener zu einem Stuhl, sank hinein und murmelte, während sich ein unbeschreibliches Entsetzen über sein Gesicht verbreitete, vor sich hin:
    «Fünf Uhr
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