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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Autoren: Antoinette Lühmann
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weitere Steine und Dachziegel auf das Boot fallen. Zögernd näherte sich Benthe. Sie beobachtete sie lange, bevor sie selbst einen Stein aufhob. Nachdem Nik schon etwas aus der Puste gekommen war, sammelte auch Ellie Brocken aus der Mauer der Werkstatt auf und schloss sich ihnen an. Es war Benthe, die schließlich mit einem Dachziegel den Spiegel zerschlug, als der Boden des Bootes schon mit Steinen bedeckt war.
    Ein helles Klirren erklang in der Gasse und übertönte sogar den Lärm des einstürzenden Hauses hinter ihnen.
    Hunderte kleiner Spiegelscherben lösten sich aus dem Rahmen und zerstoben über dem Boot. Die Steine zerfielen zu Staub und das Holz faulte vor ihren Augen.
    Das Boot sank.
    Luuk legte Nik die Hand auf die Schulter. Benthe weinte leise. Aber sie sah nicht traurig aus. Ellie stemmte grimmig die Hände in die Hüften. Auch sie sah endlich zufrieden aus.

Ein Mann zog ein Boot an den Strand einer kleinen Insel vor der Südküste Englands. Kisten und Truhen türmten sich in Bug und Heck und hoben sich bunt von den kargen Felsen der Küste ab. Sie verbargen die Reichtümer, mit denen ihn die Gilde für seine Hilfe in den letzten Jahren entlohnt hatte.
    Eine einzige Möwe schrie über ihm zur Begrüßung und zog ihre Kreise über dem Strand.
    John ließ sich neben sein Boot in den Sand fallen und keuchte. Muscheln und Steine bohrten sich schmerzhaft in seinen verbrannten Rücken. Er streckte Arme und Beine von sich und schloss für einen Moment die Augen …
    Als er sie wieder öffnete, umspülte Wasser seine Knie. Er sprang auf. Die Flut war gekommen und hatte sein Boot mit sich gerissen. In weiter Ferne erkannte er die Umrisse des kleinen Schiffs auf dem offenen Meer.
    Carmen de Witt öffnete die Tür zu dem großen Haus in der Keysersgracht. In der Dunkelheit und Stille des Hauses überfielen sie Schuldgefühle und ließen ihren ganzen Körper erzittern. Mühsam schleppte sie sich zu dem Treppengeländer und starrte auf ihre Füße, um sich nicht selbst in dem mannshohen Spiegel ansehen zu müssen. Schritt für Schritt erklomm sie die Stufen und schlich über den dicken Teppich zu ihrem Schlafzimmer. Bevor sie die Tür öffnete, strich sie ihre zerzausten Haare zurück und wappnete sich für die Vorwürfe und die Verachtung, die ihr bevorstanden. Sie hatte ihrem Mann Treue geschworen und an ihrem Versprechen Verrat begangen. Als sie die Tür aufdrückte und ihr Blick auf das Bett fiel, taumelte sie zurück. Ihr Mann lag ausgestreckt auf den Laken und schlief. Sie wankte durch das Zimmer und ließ sich neben ihn auf das Bett fallen. Er schnarchte und sie vergrub ihren Kopf in den Kissen und weinte.
    Auf einem Segelschiff standen fünf Gestalten an der Reling und spähten in den dunklen Hafen von Amsterdam.
    Sie hatten die Leinen gelöst und warteten.
    Schließlich nahm einer von ihnen den Haken und stieß das Schiff vom Steg ab.
    »Setzt die Segel«, rief er der Mannschaft zu.
    Ein anderer hielt ihn zurück. »Warte, ich sehe ihn!«
    Ein Mann kam auf das Schiff zugelaufen. Sein schwarzer Mantel flatterte hinter ihm im Wind. Die Hände seiner Brüder streckten sich ihm entgegen und er sprang über das schwarze Wasser zwischen Steg und Schiff.
    Die anderen scharten sich um ihn, während das Schiff langsam Fahrt aufnahm.
    »Gustav ist tot«, berichtete er und zog die Kapuze wieder über sein lockiges rotes Haar. »Heinrichs Werkstatt ist völlig zerstört!«
    »Das sind zu viele Zufälle, zu viele Zufälle«, murmelte ein anderer mit einer auffallend breiten Nase.
    »Nun ist es genug«, sagte eine Frau. Sie schob den Ärmel ihres Mantels hoch. Um ihr Handgelenk war ein ledernes Band geknüpft, in das unzählige Zeichen hineingebrannt waren.
    Sie löste den Knoten und ließ es am ausgestreckten Arm über die Reling baumeln.
    »Wenn Heinrich noch lebt, wird er mit uns Kontakt aufnehmen«, warnte der Rothaarige.
    »Eben«, sagte die Frau und ließ das Leder ins Wasser fallen. Die anderen traten neben sie und zerrten an den Knoten ihrer Armbänder.
    »Nein«, rief der Rothaarige und umklammerte sein Handgelenk.
    Als ein Armband nach dem anderen in die Wellen tauchte, legte ihm die Frau die Hand auf die Schulter.
    »Wir sind zu weit gegangen.«
    Er nickte und zögerte nur noch einen Augenblick. Dann warf auch er sein ledernes Band in das unendliche Meer.
    Nik fuhr mit den Fingern über das weiche Leder. Er schlug das Buch auf und betrachtete die leeren Seiten.
    Er hatte es zuerst für ein Warenbuch gehalten
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