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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors
Autoren: Lindsey Davis
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Lagen – eine Reisende, die ihre gesamte Garderobe trug, um Diebe abzuwehren. Die Stoffe waren von besserer Qualität, als ich erwartet hatte, wirkten aber an der völlig weggetretenen Frau schmuddelig und zerknittert. Auf dem Rücken ausgestreckt, sah sie verdrießlich und gealtert aus, doch ich schätzte, dass sie viel jünger und mit Zeno schon als Jugendliche schwanger geworden war. Das wäre typisch gewesen. »Onkel« Lygon war vermutlich ihr neuester Liebhaber. Wir konnten uns vorstellen, wie er war – irgendein schnorrendes Schwein, das jetzt den großen Macker in einer Hafenkneipe spielte. Wahrscheinlich nahmen sie beide gern einen zur Brust. Zenos Mutter hatte so viel gepichelt, dass sie aus den Latschen gekippt war. Vermutlich gestern, nahm ich an.
    »Besoffen wie ein Hund.« Petronius (der es eher mit Katzen hatte) schloss ihr mit dem Daumen den sabbernden Mund. Durch diese Geste wollte er ihrem kleinen Sohn den Anblick ersparen. Mit einem angeekelten Ausdruck wischte er sich den Daumen in Hüfthöhe an der Tunika ab. Den größten Teil seines Arbeitslebens hatte er auf dieser traurigen Stufe der Gesellschaft verbracht, und er verzweifelte schier daran.
    Wäre das Kind älter gewesen, hätte unser Interesse damit geendet. Da sich aber meine Schwester nur um die Ecke in dem geliehenen Haus befand, ließ Petro mich im Torhaus warten, während er Maia holte, um bei der Mutter zu bleiben, bis sie aufwachte. Wir würden uns um Zeno kümmern.
    Maia war wütend, dass man ihr diese Aufgabe zumutete – aber sie hatte selber Kinder. Wir nahmen Zeno zu ihrer Brut mit. Petro und ich behaupteten, wir würden beide benötigt, um auf die Gören aufzupassen. Fluchend blieb Maia zurück. Zwei Stunden später wurde die Frau wach. Maia kam mit einem dicken blauen Auge nach Hause, gab Zeno eine Ohrfeige, schickte ihn mit der Anweisung heim, in Zukunft besser auf seine Mutter aufzupassen, und machte uns dann den ganzen Abend ein schlechtes Gewissen.
    »Eure Säuferin nennt sich Pullia. Die Familie stammt aus Soli, wo immer das ist. Es gibt einen Mann, von dem niemand viel zu sehen bekommt. Pullia bleibt sich selbst überlassen, während er ausgeht und sich vergnügt. Sie langweilt sich, verlässt aber nie die Wohnung. Das Kind treibt sich auf den Straßen herum. Eine Nachbarin aus dem Kissenladen hat mir das erzählt.«
    »Das ist mehr, als ich herausgefunden habe«, beschwichtigte Petro sie bewundernd. »Ich habe nicht mal bemerkt, dass es da einen Kissenladen gibt.«
    »Sehvermögen braucht man bei der Bewerbung für die Vigiles nicht? Hör auf mit der Schmeichelei.« Maia und Petro waren ineinander verliebt. Glücklichsein hatte nicht dazu beigetragen, das Hauen und Stechen ihres Schlagabtausches sanfter zu machen. Maia misstraute Männern, die sich einzuschmeicheln versuchten, und Petro würde schnell herausfinden, auf was er sich da eingelassen hatte.
    Sie waren füreinander bestimmt, doch das bedeutete nicht, dass ihre Beziehung halten würde. Petronius war bisher immer auf Blonde geflogen – abgesehen von seine Ex-Frau. Arria Silvia ähnelte Maia, die dunkelhaarig und gescheit war und ein hitziges Temperament und eine barsche Art besaß, selbst wenn niemand sie beleidigt hatte. Meine Helena meinte, Petro habe Silvia geheiratet, weil Maia zu der Zeit bereits vergeben war und sich geweigert hatte, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich kannte Petro und konnte das nicht glauben, doch auch ich sah die Ähnlichkeit.
    »Bezahlt die Säuferfamilie ihre Miete?«, fragte er Maia und tat so, als würde er nur Konversation machen.
    »Find’s doch selber raus«, knurrte Maia, während sie ihre geschwollene Wange betastete.
    Sie war meine Lieblingsschwester. Ich veranlasste, dass Petronius lindernde Salbe auf das Auge auftrug, sobald Maia sich genügend beruhigt hatte, um ihr nahe zu kommen. Ich selbst hätte das nicht gewagt.

    Das nutzlose Gesindel aus Soli war ein typischer Farbklecks in der hektischen Seefahrergemeinschaft von Ostia. Der Ort wurde überflutet von kurzzeitigen Besuchern aus allen Ecken des Imperiums. Alle hatten in irgendeiner Weise mit dem Seehandel zu tun, blieben Wochen oder Monate, warteten auf eine Ladung, warteten auf Bezahlung, warteten auf einen Freund, auf eine Schiffspassage. Manche fanden Arbeit, doch die meisten Stellen waren von Einheimischen besetzt, die sich fest daran klammerten. Nachdem Pullia jetzt eine Begegnung mit der Obrigkeit gehabt hatte, würde sich ihre kleine Gruppe
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