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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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schien kein Interesse an Pullias Kind zu haben. Ohne seine Mutter würde Zeno für sich selber sorgen müssen. Fulvius musste sich mit ihm angefreundet haben. Vielleicht kannten sie sich schon vor Pullias Verhaftung. Falls Caninus’ Identifizierung meines Onkels als der Vermittler zutraf, benutzte der Illyrier einen kleinen Jungen als Boten. Die ganze Zeit hätte Zeno also dieser Junge sein können. Daher konnten, wenn die Lösegeldforderung für Diocles tatsächlich von der kilikischen Bande stammte, die beiden nun unterwegs sein, um sich mit Mutatus zu treffen.
    Selbst wenn dem nicht so war, gab es gute Gründe, herauszufinden, was ein kleines Kind in der Begleitung meines Onkels machte.

    Ich folgte ihnen eilends. Ich fragte mich, ob sie die Stadt durch das Tor verlassen würden und mein Tag so enden würde, wie er begonnen hatte, in einer Nekropole.
    In einem stockdunklen Grabmal zu sitzen war schlimm genug gewesen. Und nun, wenn ich das doch nur gewusst hätte, steuerte ich auf etwas noch viel Schlimmeres zu.

LX
    A ls sie vom Cardo abbogen, befanden sie sich noch innerhalb der Stadtmauer, aber obwohl sie nicht zur Nekropole gingen, hatte ich eine bedrückende Vorahnung.
    Ich wusste, wo wir waren. Hier war ich schon gewesen, an einem ruhigen Morgen während meiner ausgedehnten Tempelsuche. Mir hatte es damals nichts gebracht, und es wäre mir lieber gewesen, wenn es jetzt auch ohne Bedeutung wäre. Fulvius und Zeno hatten das Heiligtum der Großen Mutter betreten – Kybele. Das war schon schlimm genug. Selbst bevor ich es erreichte, hörte ich, dass es da drinnen nicht gerade ruhig zuging.
    Die alte Stadtmauer bildete die eine Begrenzung für ein großes dreieckiges Gelände. Es war größer als die anderen Tempelanlagen, die ich in Ostia gesehen hatte, größer als jedes religiöse Heiligtum in Roms übervölkerten Stadtteilen, abgesehen von den heiligen Höhen des Kapitols und der Arx. Wir betraten diesen Schlupfwinkel in halber Höhe vom Cardo aus durch eine Reihe kleiner Läden. Direkt gegenüber stand der Haupttempel der Kybele. In einer Ecke zu meiner Rechten gab es eine Ansammlung anderer Gebäude, eines davon ein Schrein für Attis, wie ich wusste. Kybele hielt ihren entmannten Gefährten auf Abstand, obwohl eine Kolonnade einen geschützten Durchgang für die Eunuchenpriester bot. Ein Gewirr von Gebäuden zu meiner Rechten diente wohl den Anhängern des Kults. Vielleicht waren es die Wohnquartiere der Priester, falls die Zelebranten dieses exotischen Kults wie in Rom vom täglichen Leben ferngehalten wurden, damit östlicher Mystizismus unsere soliden westlichen Werte nicht vergiftete.
    Meine Aufgabe war nun hoffnungslos. Im Heiligtum war viel zu viel los. Überall wimmelten Menschen herum. Als Treffpunkt, an dem Entführer und Opfer unbeobachtet blieben, war dieser Ort geschickt gewählt. Fulvius und den Jungen konnte ich nicht mehr sehen. Auch Mutatus entdeckte ich nirgends, ebenso wenig jemanden, der sich mit ihm treffen wollte. Ich hatte so eine Ahnung, mit wem ich da rechnen konnte. Die Anwesenheit meines Onkels – wohin auch immer er verschwunden war – hatte darauf hingedeutet, dass ich es nach wie vor mit der alten Bande zu tun hatte. Caninus schien recht zu haben, Onkel Fulvius war der Illyrier, und das hier würde schließlich doch nur ein weiterer Austausch sein, in die Wege geleitet von denselben Leuten wie alle anderen.
    Für den morgigen Tag war anscheinend eine Kult-Initiation geplant. Priester in ihren langen weibischen Gewändern wuselten herum, einige geleiteten einen großen schwarzen Stier zu dem Pferch, wo er die Nacht vor der Opferung verbringen würde. Er wurde in einer kurzen Prozession geführt, mit östlicher Musik und Tanz, und er spürte, dass das ganze Theater auf etwas Gefährliches hinauslaufen würde. Vielleicht konnte er das Blut seiner Vorläufer wittern. Jedenfalls verstörten ihn die farbenfrohen Kostüme und die ungewohnte Umgebung sehr. Er begann zu brüllen und versuchte auszubrechen. Er war ein kräftiger Bursche. Zum Glück hatte man ihn mit mehr als Blumengirlanden festgemacht. Robuste Seile hielten ihn in Schach, bis er halb gezogen, halb gestoßen im Pferch landete. Lustrumwasser wurde verspritzt, wofür er auch nicht viel übrighatte.
    All das fand in dem Komplex kleinerer Tempel zu meiner Linken statt. Anderes tat sich in der langen Kolonnade. Hier würde ich niemals jemanden identifizieren können.
    Ich zog die Toga, die ich immer noch trug, über

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