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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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geben, wenn Mutatus aus dem Tresorraum heraufkam. Zu seiner Ehre muss man sagen, dass er mir zunickte – allerdings wartete er damit, bis der Scriptor gegangen war.
    Ich wusste, dass Mutatus nicht das Forum durchquert hatte, weil ich ihn dann gesehen hätte. Der Platz war voller Menschen, der Spätnachmittagsbetrieb von Fußgängern, die in die Thermen eilten, und Arbeitern auf dem Heimweg, aber ich hatte einen guten Aussichtspunkt und das gesamte Forumsgelände im Blick. Mutatus musste hinten hinausgegangen sein, auf der Basilikaseite. Von der Ecke, an der ich stand, hatte ich den anderen Ausgang beobachtet.
    Ich ging die Stufen hinunter und zur Rückseite des Tempels. Bei der Caupona an der Straßenecke konnte mir niemand etwas berichten. Ich kehrte zur Rückseite des Tempels zurück. Hier begann die Hauptstraße zur Porta Laurentina. Das hier war eines der gehobeneren Stadtviertel, und obwohl es neben den Privathäusern ein paar Gewerbebetriebe gab – Getreidemühlen und Wäschereien –, fehlte es dem Viertel an den ausufernden Tavernen und Bordellen, die sich um die Porta Marina und das Flussufer scharten. Das war nicht die Art von Viertel, die der Illyrier für seine Treffen bevorzugte. Was mich davon überzeugte, dass sich jemand anders hineingedrängt hatte. Die Lösegeldforderung für meinen Scriptor war eine neue Gaunerei.
    Mein Scriptor. Inzwischen war er meiner. Ich war entschlossen, ihn nicht aufzugeben, bis ich Gewissheit über sein Schicksal hatte.

    »Haben Sie mal ’nen Quadrans für die Bäder?«
    Im verschmutzten Schatten an der Rückseite dieser repräsentativsten Gebäude saßen Bettler. Dieser Witzbold wusste, wie er seine Bitte vortragen musste, um sie schnell erfüllt zu bekommen – er war dreckig. Ja, er war so dreckig, dass er aussah, als hätte er sich absichtlich mit Schmutz bedeckt. Jeder Wohltätige würde ihn zu heißem Wasser und einem Strigilis scheuchen. (Jedem, der dann noch mal nachdachte, würde einfallen, dass die meisten Städte kostenlose öffentliche Bäder anbieten. Dieser Bettler war aus eigenem Antrieb dreckig.)
    Ich hielt eine Münze hoch. Dann gab ich sie ihm. Es hatte keinen Zweck, sie zurückzuhalten, sonst hätte er nur gesagt, was ich hören wollte, um das Geld zu bekommen. »Hast du jemanden den Tempel verlassen sehen, als ich gerade um die Ecke bog? Wohin ist er gegangen?«
    Ein dreckiger Arm, gehüllt in scheußliche Lumpen, wedelte vage den Cardo Maximus hinab, in Richtung der Porta Laurentina. Der Mann war vermutlich betrunken. Er sah zu verlaust aus, um ihn näher zu befragen. Ich musste mich entscheiden, ob ich ihm glaubte. Da er nichts mehr zu bieten hatte, ging ich in die angegebene Richtung.
    »Ich bin Cassius!«, krächzte er mir nach.
    »Ich werd’s nicht vergessen!«, log ich und floh. Auf keinen Fall wollte ich bei einem Wahnsinnigen mit gefährlichen politischen Ansichten festhängen. Eine Büste von Cassius im Haus zu haben gilt immer noch als Hochverrat. An den Geburtstagen von Brutus und Cassius achten alle vernünftigen Männer darauf, keine Festmahle abzuhalten, die wie Gedenkfeiern wirken könnten.

    Verglichen mit dem Decumanus war der Cardo eine enge kleine Straße, die sanft hügelabwärts führte und im tiefen Schatten der Häuser zu beiden Seiten lag. Ich war hier schon gewesen, allerdings auf dem Eselsrücken und nicht zu Fuß, auf der Rückkehr von Damagoras. Eines der Häuser nahe dem Tempel der Roma und des Augustus war an dem Morgen, als Gaius Baebius und ich zum ersten Mal den Feuerwehr-Rüpeln von der Bauhandwerkerkorporation begegnet waren, eine rauchende Ruine gewesen. Ich war auch während meiner Tempelerforschungen hier durchgekommen. Die Straße zur Porta Laurentina war zu einem Motiv dieses Auftrags geworden.
    Cassius enttäuschte mich nicht. Ich war auf halbem Weg zum Tor, als der mir entgegenkommende Verkehr schwächer wurde und ich vor mir einen Jungen entdeckte. Ich erkannte die schmale Gestalt – Zeno. Zeno aus dem Torhaus, der dünne kleine Straßenjunge, dessen Mutter Pullia war, die Kräuterhexe der kilikischen Entführer. Neben Zeno und in ein ernsthaftes Gespräch mit ihm vertieft ging ein gutgebauter älterer Mann. Den kannte ich auch. Mein Onkel Fulvius.
    Fulvius hatte eine Hand auf Zenos Schulter liegen. Der Junge schaute mit vertrauensvollem Blick zu ihm auf. Pullia saß jetzt schon seit mehreren Tagen in Gewahrsam. Lygon war erst heute verhaftet worden, aber er hatte nie selbst im Torhaus gewohnt und

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