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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
Autoren: Dieter Nuhr
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delegiert! Das Leben erfordert enormen Rechenaufwand, eine Herkulesaufgabe für unseren armseligen Verstand!
    Immerhin halte ich mich für geistig gesund! Wie schwierig muss das Ganze erst sein für einen Menschen mit gespaltener Persönlichkeit, der sich in Wahnvorstellungen flüchtet oder in multiple Persönlichkeiten aufspaltet! Da muss das Hirn auch noch verschiedene Benutzerkonten verwalten.
    Bei mir nicht! Vorausgesetzt, ich schreibe das hier selbst. Wer weiß? Der Wahn ist ein kompliziertes Ding und beim eigenen Selbst nur schwer zu diagnostizieren. Vielleicht liege ich ja in Wirklichkeit irgendwo auf einer Lichtung im Urzeitdschungel und fantasiere mir eine Zukunft zusammen, die es so niemals geben wird? Gut daran: Auch diese Buchstaben hier wären in diesem Fall nicht existent. Die Peinlichkeit hielte sich also in Grenzen.
    Machen wir es wie Kant: Wenn es keine Möglichkeit gibt, den Wahn der Welt zu erkennen, tun wir einfach so, als wäre alles so, wie es uns scheint. Das ist meine ganz persönliche kopernikanische Wende. Ich nehme an, dass ich gesund bin, weil ich den Begriff Gesundheit selbst definieren darf. Vielleicht werden irgendwann auch bei mir irgendwann ein paar Leute in weißen Arztkitteln in der Tür stehen, mit der Spritze fuchteln und rufen: „Bleiben Sie doch ruhig, gaaaanz ruhig, gaaaaaaanz ruhig, es ist ja nur zur Beruhigung …“ Mir ist es egal. Wer in meiner Welt irre ist, muss ich bis dahin selbst entscheiden. Und in der Pyramide der Verrücktheit besetzen die Gehirnklempner ohnehin mit Sicherheit eine der obersten Stufen.
    07 38
Im halbwachen Zustand entwickeln sich Bilder. Leider sind sie, sobald man den Zwischenzustand zwischen Wachheit und Schlaf verlassen hat, meist wieder verschwunden und lassen sich nur mühsam wieder ins Bewusstsein transportieren. Schade! Denn Scharen von Psychologen sind der Ansicht, diese Bilder aus der Phase zwischen Schlaf und Bewusstsein seien Erzeugnisse des Unbewussten, Symbole des Sublimen, Zeichen für ein inneres Ich, das gern Verstecken spielt.
    Psychologen leben davon, den Menschen glaubhaft machen zu können, dass man einen Vorteil davon hat, wenn man sein Unterbewusstes kennenlernt. Ich bin da nicht sicher. Ich kenne viele Menschen, die mit psychologischer Hilfe zu sich selbst gefunden haben, aber was sie da sahen, war so deprimierend, dass sie nun psychologische Hilfe brauchen, um zu ertragen, was sie entdeckt haben. Für die Psychologen hat sich das Ganze also gelohnt.
    In der Halbwachheit manifestieren sich Ängste, Bedürfnisse und Harndrang. Ich sinke zurück. Ein Film beginnt. Ich sitze auf einer Wiese. Eine Raupe versucht mich zu fressen, scheitert aber an meiner schieren Größe. Sie kriegt mich nicht zu packen, schon weil sie keine Arme hat. Ihre Fresswerkzeuge sind für das Zerteilen eines Menschen ungeeignet. Deshalb wendet sie sich einem japanischen Schlitzahorn zu und beschließt, sich in Zukunft vegetarisch zu ernähren. Ich lasse sie leben, denn ich bin großherzig und gut. Da öffnet sich der Boden, und ich falle.
    Im Fallen merke ich, dass ich nackt bin. Für kurze Zeit kann ich mich beruhigen, indem ich mir einrede, dass ich eine Schnecke bin, und Nacktschnecken sind nichts Ungewöhnliches in unseren Breiten. Ich schaue an mir herab und muss feststellen, dass sich die Schnecken in unseren Breiten nicht nur farblich verändert, sondern auch erheblich vergrößert haben! Das Fehlen jeglicher Fühler sowie die Existenz mehrerer Extremitäten lässt mich zu dem Schluss kommen, dass die These mit der Schnecke falsch sein könnte. Ich war noch nie eine Schnecke, so dass es unwahrscheinlich erscheint, dass ich nun plötzlich im Fallen eine geworden sein könnte. Da wache ich auf.
    Leider aber sitze ich nun in einem anderen Traum fest, habe also offenbar im Traum geträumt. Das macht die Situation nicht weniger unangenehm. Die Sonne brennt auf mich herab. Sie ist röhrenförmig, umgibt mich vollständig und behauptet, in einem Studio zu wohnen. Ich stelle fest: Die Sonne ist ein furchtbarer Angeber! Sie ist kein Himmelskörper, sondern bloß ein liegenförmiger Münzautomat, dervon Unterseite und Deckel UV-Licht ausstrahlt. Meine Haut rötet sich. Es brennt. Ich versuche aufzuspringen und schlage mit dem Kopf gegen die Glasscheibe, da entdecke ich einen Knopf. Ich drücke darauf. Der Deckel hebt sich. Ich bin gerettet. Ich stehe auf und sehe in den Spiegel. Ich glühe und sehe aus wie die frisch geröstete Mitarbeiterin eines
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