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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus
Autoren: Uschi Flacke
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Eingangstür zum Arzthaus auf. Im Treppenhaus war es düster. Nur durch ein schmales Fenster, das zum Hof hinauszeigte, fiel etwas Licht. Eine angenehme Kühle schlug ihr entgegen, vermischt mit einem betäubenden Geruch von frisch gepflückten Rosenblättern und wilden Kräutern.
    Er musste wohl wieder nach heilenden Elixieren suchen, dachte sie, während ihr Atem schneller ging. Nach Mitteln gegen die aufsteigende Galle und den trockenen Husten, der ihrem Vater jede Nacht die Brust abschnürte und sich wie ein Geschwür in der Lunge festkrallte! Vielleicht hantierte er wieder mit brennenden Substanzen und mischte Schwefel mit Antimon und Arsen. Oder er pulverisierte Korallen, Smaragde und Rosenblätter.
    Wieder spürte Marie prickelnde Unruhe in sich aufsteigen, diese Neugier, die sich zu einer unbeschreiblichen Sehnsucht steigerte. Leise huschte sie auf eine schwere Eichentür zu, die nur angelehnt war. Ein schmaler Lichtspalt zog sich von der oberen Türkante bis zum Steinboden herab. Leise schob sie die Tür auf. Ein Kübel, übervoll mit frischen Rosenblättern, stand vor einem schmalen Fenster, durch das grelles Sonnenlicht fiel. Die tiefroten Blätter glänzten wie kostbarer Samt. Staubkörnchen tanzten aufgescheucht durch den hellen Lichtstreifen. In Phiolen, unter denen kleine Feuer flackerten, blubberten Flüssigkeiten. Zähflüssige Öle tropften aus trichterförmigen Glasröhrchen. Ihr Zerplatzen in gerade aufgestellten gläsernen Töpfen klang zart und beharrlich. Ein betörender Duft zog durch das Labor.
    In diesem Moment ächzte ein Alter in den düsteren Hausflur und humpelte auf eine weitere Holztür zu, die zum Arztzimmer führte. Marie drückte sie auf, während der Greis ihr einen mürrischen Blick zuwarf. Der kleine Vorraum war überfüllt, die Patienten hockten schwitzend und dicht gedrängt auf Holzbänken. Einem Waldarbeiter war die Axt ausgeglitten und hatte ihm eine tiefe Wunde ins Bein gerissen. Blut sickerte durch einen schmutzigen Leinenverband. Eine Schwangere mit aufgedunsenem Gesicht umkrampfte keuchend ihren aufgeblähten Kugelbauch. Neben ihr wiegte sich ein Bursche mit eitrigen Pusteln im Gesicht hin und her und grunzte leise vor sich hin. Ein rotbackiger Bauer hielt eine Ziege am Hanfseil, die schaumigen Speichel spuckte.
    »Marie?«, hörte sie da die Stimme der jungen Arztfrau im Treppenhaus. »Bist du da unten? Die beiden Kleinen warten auf dich!«
    »Ich komme schon!« Marie schloss leise die Tür und huschte die Holzstufen hoch in den ersten Stock, wo sich das Wohnzimmer der Familie Notredame befand. Obwohl zwei hohe Fenster zur Straße hinausführten, war es hier immer ein wenig dämmrig. Die Ölbilder hingen wie düstere Trauerlandschaften an den Wänden, da ihnen das Licht fehlte. Auf dem Holztisch vor dem dunkelgrünen Samtsofa stand in einem Steinguttopf ein Strauß frischer Rosen. Die Luft war voll gesogen von dem Geruch nach süßlichem Getreidebrei. Ein kleines Mädchen, gerade mal drei Jahre alt, tapste auf nackten Füßen Marie entgegen und streckte die speckigen Ärmchen hoch. Ihre blonden Locken fielen bis auf die Schultern, die hellen Augen blitzten verschmitzt auf.
    »Marie, Marie, Marie!«, krähte sie vergnügt und schlang ihre Ärmchen um die verschwitzten Beine des Mädchens. Die junge Arztfrau stand unbeweglich am Fenster. Die Querstreben der Bleiverglasung warfen schmale Schatten auf ihr makelloses Gesicht. Das geflochtene Haar hatte sie unter eine Samthaube gesteckt. Die kleinen Perlen, die auf den Halskragen ihres Kleides aufgenäht waren, schimmerten wie frischer Tau. Besorgt schaute sie hinunter auf die Landstraße.
    »Was das noch werden soll!«, sagte sie leise, während sie mit ihrer blassen Hand den Weidenkorb schaukelte, in dem ihr Sohn schlief. Seine kleinen Wangen waren rot erhitzt, mit seinen Händchen hielt er fest einen Stofffetzen umklammert.
    »Was soll noch werden?«, fragte Marie und kräuselte ihre Sommersprossennase. Nachdenklich sah sie zu Catherine Notredame hinüber, die gerade mal achtzehn Lenze zählte. Vor drei Jahren war sie mit dem Pestarzt verheiratet worden. Ob er sie wirklich liebte? Oder ob ihre hohe Mitgift der Grund für die Hochzeit gewesen war? Marie verzog fast schmerzhaft das Gesicht. Ihre dunklen Wimpern flatterten wie verängstigte Falter. Ob sie auch schon in zwei Sommern mit irgendeinem Angetrauten das Ehebett teilen müsste…?
    Catherine öffnete weit das Fenster. »Was werden soll? Schau selbst!« Das Samtkleid
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