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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken
Autoren: Daphne DuMaurier
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bedeutet hatte.
    Es ist die Pflicht des Hirten, über seine Herde zu wachen, vom ältesten der überfütterten Böcke bis zum jüngsten der zarten Schäfchen.
    »Ich werde dafür sorgen, daß Miß Morton nichts Böses geschieht«, versprach ich den Eltern, »und keinesfalls wird die Gruppe sich in Grüppchen aufsplittern. Außerdem – das Programm ›Rom bei Nacht‹ ist geradezu eine Art Kolleg, es ist Bildungspflicht. Die Monumente sind angestrahlt. Man wird vom Bus aus alles sehen können.«
    Es würde ein Kinderspiel sein, die beiden auf die hintere Bank zu manövrieren, zusammen mit ein paar anderen Pärchen, die sich bereits auf ähnlicher Basis gefunden hatten. Ob sie dann aus dem Fenster sahen oder nicht, war ihre Sache. Hauptsache, man hielt seine Schutzbefohlenen bei guter Laune. Ich überließ die drei Insassen des befriedeten Zimmers 203 ihrem Schicksal und kletterte die Treppen hinunter, um die Vorbereitungen zu examinieren, die man im Restaurant für unser Abendessen getroffen hatte.
    In der Mitte des Speisesaals standen zwei lange Tische, jeder für 25 Personen gedeckt und in der Mitte mit den gebündelten Nationalflaggen geschmückt, die sich stolz über die Blumenarrangements erhoben: Mit Union Jack und Sternenbanner. Dies gefällt immer und gibt der Sache Stil. Die Flaggen fördern das Gruppenbewußtsein und verwischen das Stigma des Tourismus.
    Die übrigen Hotelinsassen, die nicht en bloc gebucht sind und Bus-Reisende verachten, werden durch diese Dekoration zuweilen verführt, im Hotel zu speisen, weil sie wähnen, daß sie Diplomaten oder Politiker von internationalem Rang zu Gesicht bekommen könnten. Die Hoteldirektion findet jedenfalls, daß sich das Arrangement bezahlt macht.
    Ich besprach mich kurz mit dem Ober und versicherte, daß meine Gesellschaft pünktlich sieben Uhr dreißig zur Stelle sein würde. Sie legten Wert darauf, daß wir mit dem Hauptgericht fertig waren und die Desserts schon auf den Plätzen standen, bevor die übrigen Tischgäste sich an ihre Einzeltische begaben. Auch für uns war diese Regelung praktisch. Wir arbeiteten nach einem genauen Zeitplan und hatten unsere Fahrt durch ›Rome by Night‹ punkt neun Uhr zu starten.
    Ich warf einen Blick auf die Speisekarte. Wir bekamen selbstverständlich das Menu. Eine Wahl à la carte gab es nicht. Ließe man sie à la carte essen, würde das die Pauschalpreise über den Haufen werfen. Getränke wurden ohnehin extra bezahlt. Die beglich ein jeder direkt aus eigener Tasche, und ich hütete mich, den Finanzier zu spielen, nachdem ich auf meiner ersten Reise böse hereingefallen war. Ich bekam mein Geld nie wieder zu Gesicht, noch vermochte ich im Zentralbüro der ›Sonnenreisen‹ eine Vergütung herauszuschlagen.
    Ein letzter Blick auf die Uhr, und dann auf zum festlichen Umtrunk in der Hotelbar!
    Es war nur eine Handvoll von Leuten versammelt, um das Bloom-Baby hochleben zu lassen. Aber man konnte sie schon in der Halle hören, wo die nicht geladenen ›Beef-Esser‹ in Zweier- und Dreier-Grüppchen herumsaßen, in Hochmut und Verachtung hinter ihren britischen Blättern verschanzt. Das Geschrei der extrovertierten ›Barbaren‹ hatte die Angelsachsen völlig betäubt.
    Mrs. Bloom segelte auf mich zu, eine Fregatte in voller Fahrt: »Da sind Sie ja, Mr. Fabbio! Wie ist es mit einem Gläschen Champagner?«
    »Ein halbes, wenn ich bitten darf, Mrs. Bloom. Nur einen Schluck, um Ihrem Enkelkind ein langes Leben zu wünschen.«
    Die Glückseligkeit von Mrs. Bloom hatte etwas Rührendes. Ihre ganze Person strahlte Gebefreudigkeit aus. Sie hakte mich unter und schleppte mich zu ihrem Grüppchen. Wie nett sie doch waren, du meine Güte, wie nett … In ihrem drängenden Eifer, in ihrer alles umschlingenden Freundlichkeit hungern die ›Barbaren‹ nach Liebe. Ich zuckte schon zurück, dem Ersticken nahe, ließ mich dann aber, reuevoll, von der Welle der Wärme überfluten.
    In Genua hatte ich massenhaft Tribute von Mrs. Blooms Landsleuten gehortet. Weihnachtskarten im Schock. Briefe, Grüße. Erinnerte ich mich noch an die Fahrt vor zwei Jahren? Wann würde ich nach Amerika kommen und sie besuchen? Sie dachten so oft an mich! Sie hatten ihren Jüngsten auf meinen Namen, Armino, getauft. Die Aufrichtigkeit dieser Botschaften beschämte mich. Ich dagegen beantwortete diese Botschaften jedoch nie.
    »Es tut mir leid, die Party sprengen zu müssen, Mrs. Bloom. Aber es ist sieben Uhr dreißig.«
    »Ihr Wort ist uns Befehl, Mr.
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