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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe
Autoren: Hammesfahr Petra
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es auf die Wange und verschwand mit ihm im Waschraum. Zum Abendessen saß es wieder mit am Tisch. Laura hatte im Eßzimmer gedeckt. Das kleine Köpfchen flog hin und her, die Augen huschten wie flinke, aber auch ängstliche kleine Tiere durch den Raum, streiften unsere Gesichter, die belegten Brote auf den Tellern. Glitten zu den Tassen hin. Die Tassen der Kinder waren mit Milch gefüllt. Aber es aß und trank nicht.
    »Vielleicht kann es nicht alleine essen«, spekulierte Laura, nahm es auf den Schoß, wollte es füttern. Da drehte es den Kopf zur Seite. Laura lächelte nur zärtlich.
    »Du magst wohl keine Brote. Danny schwärmt auch nicht eben dafür. Versuchen wir es mit einem Schlückchen Milch.«
    Ein mißtrauischer Blick in die Tasse, die Laura anhob und an seine Lippen setzte. Ein fragender Blick in Lauras Gesicht.
    »Vielleicht hat es schon gegessen«, sagte ich.
    »Hol mal das Kakaopulver«, verlangte Laura. Dann rührte sie zwei Löffel davon in die Milch. Tunkte den Löffel ein und hielt ihn an die Lippen des Kindes.
    »Nur einmal kosten«, sagte Laura, »mir zuliebe. Es wird dir schmecken, da bin ich ganz sicher.«
    Und mit dem Löffel funktionierte es. Ob mit Genuß oder wirklich nur Laura zuliebe, war nicht ersichtlich. Als die Tasse gut zur Hälfte geleert war, gab Laura sich zufrieden. Wenig später brachte ich Danny hinauf in sein Bett, und Laura stieg mit ihrem
    »Püppchen«
    in den Keller, legte es in ihrem Zimmer schlafen. Sie war zufrieden, als sie schließlich ins Wohnzimmer kam.
    »Ich werde sie Anna nennen«, sagte sie.
    »Wir können sie ja nicht immer nur Püppchen oder Süße rufen.«
    So blieb es die letzten Tage im August, den ganzen September hindurch. In den ersten beiden Wochen schlief Laura noch mehrfach bei Anna in ihrem Zimmer. Sie war immer in Sorge, die Kleine könne wieder verschwinden. Aber Lauras Sorge erwies sich bald als unbegründet. Anna blieb, und sie blieb anscheinend gerne. Wenn Laura morgens hinunter in die Küche ging, stand sie oft schon am Fuß der Treppe und schaute ihr entgegen. Oder sie saß aufrecht im Bett, die Stoffpuppe an sich gedrückt, die Augen auf die offene Tür gerichtet. Annas Scheu vor Danny verlor sich, mir gegenüber blieb sie jedoch zurückhaltend. Aber da ich mich nicht aufdrängte, begriff sie wohl, daß ich ihr nichts Böses wollte. Anna war ein geduldiges Kind, zufrieden mit allem, was für sie getan oder unterlassen wurde. Ich könnte nicht sagen, daß ich einmal einen Ausdruck von besonderer Zufriedenheit oder großem Wohlbehagen auf dem kleinen, blassen Gesicht feststellte. Ich selbst empfand wohl so. Es war alles in bester Ordnung. Wir lebten als Familie mit zwei kleinen Kindern. Manchmal hatte ich das dringende Bedürfnis, den Pfarrer von Kirchherten anzurufen. Einfach nur so, ganz beiläufig. Ich wollte nichts weiter, als ihm erklären, daß das kleine Mädchen jetzt bei uns lebte. Aber ich tat es nicht. Und ich hatte eine vortreffliche Entschuldigung, meine Arbeit. Sechs bis acht Stunden täglich an der Schreibmaschine. Das Drehbuch nahm Formen an. Jedesmal wenn ich Kopien an Wolfgang schickte, kam anschließend ein dickes Lob. Dann kam der fünfte Oktober. Schon morgens beim Aufstehen erschien Laura mir schwerfälliger als sonst. Und den ganzen Tag über schlich sie wie mit einem Zentnergewicht beladen durch das Haus. Immer wieder fuhr die Hand in den Rücken. Laura wurde zusehends nervös. Abends wollte sie sich einen Film ansehen, aber sie konnte nicht stillsitzen, stand immer wieder aus dem Sessel auf und ging ein paar Schritte im Zimmer umher. Noch vor zehn erklärte sie:»Die ganze Zeit habe ich das Gefühl, ich sitze auf irgend etwas drauf. Die Rückenschmerzen sind auch schlimmer geworden. Ich geh hinauf und leg mich hin. Wenn es morgen nicht besser ist, fahren wir zum Arzt.«
    Als ich eine halbe Stunde später ins Schlafzimmer kam, schlief Laura. Wie lange ich dann selbst geschlafen habe, weiß ich nicht genau. Im Höchstfall zwei Stunden, und sehr tief war der Schlaf nicht. Als Laura nach mir rief, war ich augenblicklich wach.
    »Tom, um Gottes willen, komm schnell. Hilf mir.«
    Sie war im Bad, kniete auf dem Boden vor der Wanne, vorgebeugt mit beiden Händen zwischen den Beinen. Ihr Gesicht war eher verwundert als schmerzverzerrt. Als sie mich kommen sah, lächelte sie sogar flüchtig.
    »Hilf mir«, verlangte sie noch einmal. Ich sah nur das Blut an ihren Händen, nicht einmal sehr viel Blut, und die Pfütze auf dem
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