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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe
Autoren: Hammesfahr Petra
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Boden.
    »Mach schon«, schrie Laura.
    »Ich kann es nicht mehr halten.«
    Da erst erkannte ich, daß sie mit beiden Händen einen winzigen Kopf hielt. Wir schafften es nicht mehr bis zum Bett. Laura legte sich einfach auf die Badematte. Es war ein grotesker Anblick, dieser kleine, feuchte, mit Blutschlieren überzogene Kopf zwischen ihren gespreizten Schenkeln.
    »Zieh es raus«, sagte Laura.
    »Ich glaube, du mußt die Schultern ein bißchen drehen. Das haben sie bei Danny auch gemacht. Du wirst ihm schon nicht gleich die Knochen brechen.«
    Es ging ganz leicht. Ich mußte wirklich nur zufassen. Aber ehe ich mich dazu überwinden konnte, vergingen wohl ein paar Sekunden. Laura stöhnte einmal verhalten, dann entspannte sie sich. Mit Tessas Beinchen schoß ein mächtiger Blutschwall aus Laura heraus. Sie richtete sich auf und nahm mir den kleinen Körper aus den Händen, legte ihn sich auf den Leib.
    »Du mußt die Nabelschnur durchtrennen«, befahl sie.
    »Hol eine Schnur und eine Schere. Und hol eine Decke vom Bett, es wird zu kalt. Oder kannst du mich aufs Bett tragen.«
    Natürlich konnte ich, aber ich konnte mich nicht gleich rühren. Die Nabelschnur, ein pulsierender, fingerdicker, blauroter Strang, eine Schnur und eine Schere. Ein jämmerliches Quäken brachte mich endlich in Bewegung. Ich nahm Laura auf die Arme und trug sie ins Schlafzimmer. Dann rannte ich hinunter in die Küche, schloß im Vorbeilaufen die Tür zu Lauras Zimmer, nachdem ich einen kurzen Blick auf das schlafende Kind geworfen hatte. Anna lag auf der Seite, mit der leichten Wolldecke zugedeckt bis zum Hals, das kleine Gesicht fast völlig im Kissen verborgen. Ein friedliches Bild. Ich wollte nicht, daß sie von der Hektik im Haus aufwachte, holte die Schnur und die Schere, stieg wieder hinauf. Aber ich hantierte so ungeschickt, daß Laura mir die Sachen aus den Händen nahm.
    »Hol ein paar Tücher und den Verbandskasten«, kommandierte sie weiter, während sie sich selbst daranmachte, die Nabelschnur abzubinden. Sie war so ruhig. Ich konnte mir das gar nicht erklären. Auf dem Weg ins Bad schoß mir nur ein Gedanke durch den Kopf. Viel zu früh. Viel zu früh. Als ich zurück ins Schlafzimmer kam, lag ein dicker, blutroter Klumpen zwischen Lauras Beinen. Sie sah meinen Blick und grinste.
    »Jetzt reg dich nicht auf, Tom, das ist nur die Nachgeburt.«
    Erst eine halbe Stunde später kam ich dazu, einen Krankenwagen anzufordern. Laura wollte nicht ins Krankenhaus, auf gar keinen Fall. Doch im Hinblick auf die Tatsache, das Tessa fast sieben Wochen zu früh geboren war, fügte sie sich schließlich.
    »Wirst du dich um Anna kümmern, Tom.«

    »Natürlich.«

    »Versprich mir, daß du sie nicht wegschickst.«

    »Ich werde sie bestimmt nicht wegschicken.«

    »Und du wirst auch nichts tun, was ihr Angst macht, ja? Wenn du spürst, daß sie etwas nicht möchte, dann zwing es ihr nicht auf. Laß sie dann lieber in Ruhe.«
    Ich versprach auch das. Und noch einmal eine halbe Stunde später wurden Laura und Tessa zur Haustür hinausgetragen. Ich wischte den Boden auf, wechselte die Bettwäsche. Es war nicht einmal vier Uhr, und als ich sämtliche Spuren der Geburt beseitigt hatte, legte ich mich ins Bett, doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Nachdem ich mich eine halbe Stunde lang von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, zog ich es vor, mit einem Kaffee den allerletzten Rest von Müdigkeit zu verscheuchen. Ich war gerade dabei, die Kaffeemaschine in Betrieb zu nehmen, als ich hinter mir Schritte hörte. In der Annahme, es sei Danny, erklärte ich, ohne mich umzudrehen:»Du hast ein Schwesterchen bekommen, mein Sohn.«
    Kein Laut. Ich drehte mich der Tür zu. Anna stand im Gang vor der Küchentür und schaute mich an. Ein Blick, in dem sich neben der Ratlosigkeit auch eine gewisse Furcht abzeichnete. Im ersten Moment war ich doch erschrocken. Ich hatte die Tür gar nicht gehört.
    »Laura ist nicht du«, sagte ich leise.
    »Es wird wohl auch ein paar Tage dauern, ehe sie zurückkommt.«
    Anna reagierte nicht, betrachtete mich immer noch so ängstlich fragend.
    »Laura kommt bald zurück«, sagte ich.
    »Es dauert nur ein paar Tage. Wir werden hier gemeinsam auf sie warten.«
    Da drehte sie sich um und trottete zurück in Lauras Zimmer. Ich ging ihr nicht nach. Doch als ich wenig später zur Treppe ging, sah ich sie auf dem Bett liegen. Den Daumen im Mund, die Puppe im Arm, wirkte sie so verloren. Im Vorbeigehen warf ich ein betont
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