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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe
Autoren: Hammesfahr Petra
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Schlachthäusern filmen. Bert zählte eine Reihe von Filmtiteln auf, bei denen man das dann wohl getan hatte. Vater gestand, daß er zuletzt vor acht Jahren in einem Kino gewesen war. Kurz und gut, es war eine Feier, wie sie unter anständigen Bürgern üblich ist. Es war alles normal. Niemand achtete mehr darauf, was Marianne tat, bis Mutter plötzlich bei uns stand. Ein wenig kleinlaut, ein bißchen verlegen. Mitten in der Unterhaltung mit ihr war Marianne wie von einem Schlag getroffen zusammengezuckt, blaß geworden, aufgestanden und hatte ohne Erklärung den Raum verlassen. Besorgt erkundigte Mutter sich, womit sie Marianne eventuell verletzt haben könnte.
    »Wir haben uns doch so gut unterhalten. Ich verstehe das gar nicht.«

    »Worüber haben Sie gesprochen.«
    Das war der Staatsanwalt, sachlich, knapp, ohne Gefühlsregung.
    »Über Tom.«
    Mutter schaute mich hilfesuchend an.
    »Über den Deutschaufsatz. Vielleicht erinnerst du dich, Tom.«
    Im ersten Augenblick tat ich das nicht. Erst als Bert weiterbohrte, als die Dringlichkeit in seiner Stimme nicht mehr zu überhören war, fiel mir ein, was Mutter meinte. Das muß in der fünften Klasse gewesen sein, und meiner Meinung nach war es ein ganz ausgezeichneter Aufsatz, der sich in allen Punkten an die Tatsachen hielt. Ein Aufsatz über besondere Erlebnisse im Urlaub. Und es war eines von diesen Jahren gewesen, in denen es für uns keinen Urlaub gab, weil Vater keinen Vertreter für die Praxis fand. Also hatte ich ein paar öde Wochen beschrieben, in denen ich alleine und verlassen in der Gegend herumstrolchte, während meine Freunde sich neben ihren Eltern an Spaniens oder Italiens Küsten sonnten. Eine glatte Fünf. Mutter lächelte bereits wieder, als sie erklärte:»Tom war tödlich beleidigt. Sein Vater konnte sehr ungemütlich werden, wenn er solche Noten zu Gesicht bekam.«
    Bert schien irgendwie erleichtert, hörte sich noch an, daß Mutter den damaligen Nachmittag in heller Sorge verbrachte, weil ich mich unbemerkt von ihr ins Haus geschlichen und in dem finsteren Winkel unter der Kellertreppe Schutz gesucht hatte. Dann entschuldigte Bert sich für einen Augenblick, um nach seiner Frau zu sehen. Er kam nach wenigen Minuten zurück und erklärte:»Sie hat sich hingelegt. Es war wohl doch etwas viel für sie.«
    Zum Abend war ein kaltes Büfett bestellt. Als es geliefert wurde, war Marianne bereits wieder bei uns. Gegen zehn verabschiedeten sich unsere Trauzeugen. Meine Eltern folgten dem guten Beispiel. Wenig später gingen auch wir zum Wagen. Marianne und Bert begleiteten uns hinaus. Der Abschied zwischen Laura und ihrer Mutter war herzlicher als die Begrüßung. Sie umarmten sich. Später erzählte Laura mir, daß Marianne flüsternd gebeten hatte, sie doch hin und wieder besuchen zu dürfen. Ich fand es entsetzlich, daß sie darum bitten mußte. In den darauffolgenden Monaten kam sie mehrfach, immer zusammen mit Bert, immer nur, nachdem ich sie förmlich dazu aufgefordert und Stein und Bein geschworen hatte, wie sehr wir uns beide über ihren Besuch freuen würden. Laura blieb argwöhnisch. Wenn Marianne in unserem Wohnzimmer saß, kannte ich sie kaum. Diese Blicke, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, die zuckenden Mundwinkel. Manchmal schien mir, sie war nahe daran, sich in Mariannes Arme zu stürzen. Gleich darauf erstarrte ihr Gesicht in eisiger Abwehr. So blieben diese Besuche immer eine steife und unpersönliche Sache. Ebensogut hätten uns da zwei Versicherungsvertreter gegenübersitzen können.
    »Möchtest du noch Kaffee, Mutter.«

    »Noch ein Stück Torte, Vati.«
    Ich hätte gerne vermittelt. Sie litten doch beide. Sie brauchten sich, bettelten mit den Augen und redeten über das Wetter. Im Sommer, gut ein Jahr nach unserer Hochzeit, wurde Laura schwanger. Die ersten Monate genossen wir still für uns. Laura veränderte sich, nicht nur äußerlich. Sie verlor ihr Mißtrauen, oder was immer es gewesen sein mag. Ohne daß ich sie dazu auffordern mußte, rief sie ihre Mutter an, sprach mit ihr über alles, worüber man während einer Schwangerschaft eben mit einer Mutter spricht. Schließlich war sie sogar bereit, sich mit Marianne in der Stadt zu treffen. Von da an trafen sie sich regelmäßig, aßen zusammen oder machten Einkäufe. Das heißt, Marianne kaufte ein. Laura war gerade im vierten Monat, immer noch rank und schlank, da besaß sie ein halbes Dutzend Umstandskleider, von denen sie zu diesem Zeitpunkt kein einziges tragen konnte
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