Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe
Autoren: Hammesfahr Petra
Vom Netzwerk:
Dunkelheit der U-Bahn-Schächte, auf die Ausgestoßenen und das nächtliche Grauen. Als Junge von sieben oder acht Jahren hatte ich einmal zwei Patienten im Wartezimmer meines Vaters belauscht. Einer von ihnen wollte ein Haus bauen und hatte Schwierigkeiten mit den Behörden. Bei den Ausschachtungsarbeiten waren er und sein Schwager auf eine längst vergessene Besonderheit unseres Dorfes gestoßen. Da war von uralten, unterirdischen Gängen die Rede. Man hatte zufällig einen der Einstiege entdeckt. Ganz atemlos hatte ich zugehört, wie der Mann diese Finsternis beschrieb. Überbleibsel aus der Römerzeit, Katakomben.
    Immer wieder fiel der Ausdruck »Stickluft«
    . Der Himmel allein mag wissen, was damit gemeint war. Aber es klang sehr gefährlich. Und nachts stellte ich mir vor, wie sich ein kleiner Junge in diesem Labyrinth verirrte, wie seine suchenden Finger die Totenschädel in den Mauernischen ertasteten, wie er auf noch grauenhaftere Dinge stieß. Und wie er langsam in einen Zustand geriet, der einer Narkose mit Äther glich. Soweit ich mich erinnerte, hatte mich diese Art von Vorstellungen immer sanft in den Schlaf gleiten lassen. Je intensiver ich Laura meine Zukunft in den U-Bahn-Schächten schilderte, um so mehr nahmen sie die Gestalt jenes Labyrinths an. Wie ich damals, so hörte jetzt Laura mit atemloser Faszination zu. Von Mac aus gingen wir noch zu mir, und den ganzen Weg über erzählte ich weiter. Schließlich hockte Laura mit untergezogenen Beinen vor mir auf dem Fußboden. Und die alten Gänge aus der Römerzeit wurden älter und älter, waren angelegt worden von einem Volk, von dem heute niemand mehr wußte, waren Schauplatz blutiger Riten und dämonischer Besessenheit gewesen. Und ein junger Mann, der die Baugrube für sein Haus aushob, stieß zufällig auf einen der alten Eingänge. Er legte ihn frei und beschwor damit den Untergang eines ganzen Dorfes herauf.
    »Wahnsinn.«, murmelte Laura, als sie sich verabschiedete. Bevor sie die Treppen hinunterstieg, fragte sie noch:»Warum machst du nicht so was.«
    Ich wußte nicht gleich, was sie meinte.
    »Na, schreiben«, sagte Laura und schüttelte den Kopf über so viel Begriffsstutzigkeit.
    »Schreib es auf, genau so, wie du es mir gerade erzählt hast.«
    So gesehen habe ich meinen Beruf und auch den späteren Erfolg Laura zu verdanken. Sie kam am nächsten Abend, las die ersten Seiten, schüttelte den Kopf.
    »Ich sagte, so wie du es mir erzählt hast. Ich hatte eine Gänsehaut dabei. Was ich hier lese, ist lahm. Damit lockst du keine Großmutter hinter dem Ofen hervor.«
    Es dauerte Wochen, ehe Laura mit den ersten Seiten so zufrieden war, daß sie erklärte, jetzt könne ich weitermachen. Später, als dann, nach mehreren Heftchenromanen, das erste Taschenbuch erscheinen sollte, machte sie den Vorschlag, meinen Namen ein wenig abzuändern. Tom Westhouse, das klang nicht ganz so brav und bieder wie Thomas Westhausen. In den ersten Jahren brachte ich es auf gute sechzig Seiten pro Roman. Ein fertiges Manuskript, ein bis zwei neue Entwürfe im Monat. Das Honorar war nicht üppig, aber als wir wenig später zusammenlegten, reichte es für eine Dreizimmerwohnung mit Bad und Balkon. Für uns beide erst einmal Platz genug. Ich hatte sogar ein richtiges Arbeitszimmer. Wenn es nur nach mir gegangen wäre, hätte es immer so weitergehen können. Laura dagegen drängte auf einen größeren Roman.
    »Du willst doch nicht etwa dein Leben lang diese Heftchen schreiben. Versuch es zumindest. Es muß ja nicht gleich ein Bestseller sein.«
    Und Laura lieferte mir ungewollt die Idee, als sie mir zum erstenmal von ihrer Mutter erzählte. Im landläufigen Sinne hätte man Marianne Robin wahrscheinlich als verrückt bezeichnet. Laura sagte:»Sie ist seltsam. Manchmal ist sie ganz durcheinander, weint stundenlang grundlos vor sich hin. Vati schickt sie dann immer zur Kur.«
    Ich begann zu spekulieren, stellte mir vor, daß hinter Mariannes scheinbar grundloser Trauer ein Geheimnis steckte. Etwas Mysteriöses, weitab von Dämonen und blutrünstigen Bestien, menschlich und deshalb um so erschreckender. Die ersten Entwürfe hielt ich vor Laura verborgen. Als ich sie ihr schließlich doch zu lesen gab, entdeckte sie keinerlei Ähnlichkeiten. Ich hatte um einen winzigen wahren Kern herum ein Phantasiegebilde aufgebaut, knappe zweihundert Seiten stark. Ein Gemisch aus menschlichen Schwächen, Leidenschaften, unterschwelligem Sex und einem Verbrechen, das nur ganz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher