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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe
Autoren: Hammesfahr Petra
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allmählich aufgedeckt wurde. Laura war begeistert und machte sich umgehend auf die Suche nach einem Verleger. Sie brauchte eine Weile – ich hätte vermutlich vor der Zeit die Suche eingestellt –, aber sie schaffte auch das. In finanzieller Hinsicht war mein erster Erfolg nicht üppig. Er verschaffte mir allerdings genau die Portion Selbstbewußtsein, die ich brauchte, um weiterzumachen. Dem zuständigen Lektor hatte meine Arbeit gefallen:»Wenn Sie mal wieder etwas in der Art schreiben .«
    Nun, ich schrieb nur etwas in der Art. Anfangs blieb es noch bei einem Taschenbuch pro Jahr, später schaffte ich zwei. Zusammen mit den Heftchen, die ich immer noch regelmäßig unter etlichen Pseudonymen verfaßte, machte mich das unabhängig. Ich brauchte Vaters Scheck nicht mehr. Laura war inzwischen bei Weber und Wirtz fest angestellt. Ihr Monatsgehalt war nicht aufsehenerregend. Aber zusätzlich gab es so manchen Bonus für besondere Leistungen, und wir stellten keine großen Ansprüche, kamen gut zurecht. Manchmal sprachen wir von Heirat. Zwei Kinder, mindestens, und Laura lachte jedesmal.
    »Wenn du sie bekommst, können wir sofort anfangen.«
    Es war eine gute Zeit damals, ein bißchen verrückt. Ich lernte kochen und Lauras Blusen bügeln. Ich bezog unser Bett – anfangs hatten wir nur eines – mit frischer Wäsche und putzte die Fenster, wenn es an der Schreibmaschine nicht so recht weiterging. Abends gingen wir häufig zu Mac, weil ich vergessen hatte, die Koteletts zu besorgen. Oder weil mir beim besten Willen, neben dem Tanz der Ungeheuer, nichts eingefallen war, was ich hätte kochen können. Oft besorgte Laura unser Essen gleich auf dem Heimweg. Sie kam herein, stellte die lauwarmen Pommes frites und die durchgeweichten Viertelpfünder ohne Käse auf den Tisch, warf einen kurzen Blick auf den Eimer beim Fenster, registrierte das leicht verschmutzte Putzwasser und das darin schwimmende Fensterleder mit zufriedenem Nicken. Dann hockte sie sich auf die Tischkante:»Lies vor, Tom.«
    Und mit den Fenstern machte ich irgendwann am nächsten Tag weiter. Ich war besessen von der Besessenheit, auch ein wenig überrumpelt von meiner morbiden Vorstellungskraft. Der formalingetränkte Arm auf dem Seziertisch hatte meinen Magen revoltieren lassen, auf dem Papier brachten mich weit grauenvollere Dinge zur Höchstform. Einmal waren es die Leichen, die sich zu mitternächtlicher Stunde aus ihren Gräbern wühlten. Entsetzlich aussehende Gestalten, die ich mit wahrer Inbrunst in allen Details beschrieb. Das verwesende Fleisch, die fauligen Fetzen der Totenhemden, ausgestreckte Krallenhände, bereit, sich um den nächstbesten Hals zu legen. Und daneben gab es genug menschliche Schwächen und Verbrechen, die mir ein Auskommen sicherten. In ihren Mittagspausen durchstöberte Laura die Bibliotheken, brachte Bücher über sogenannte Phänomene heim. Parapsychologie, ein unerschöpfliches Thema und eine nie versiegende Quelle. Ganz allmählich verlagerte sich der Schwerpunkt. Nur noch im zweimonatlichen Rhythmus beschwor ich den Leibhaftigen aus der Hölle herauf, ließ unbescholtene Bürger als reißende Bestien den Vollmond anheulen. Daneben bearbeitete ich das sanfte Grauen. Subtiler gezeichnet, auch den winzigsten psychischen Defekt berücksichtigend, immer nach dem Motto: Normal, was ist das eigentlich? Und damit verschaffte ich mir einen größeren Erfolg. Eines der Taschenbücher hatte das Interesse eines Regisseurs geweckt. Der Roman handelte von einem Mann, der langsam, aber unaufhörlich den Bezug zur Realität verlor, bis er schließlich überzeugt war, er müsse seine Familie ausrotten, um die Welt zu retten. Das tat er dann auch, veranstaltete ein regelrechtes Schlachtfest. Das Blut floß gleich eimerweise. Auf dem Papier wirkte das noch relativ harmlos. In Szene gesetzt, fand ich es doch reichlich übertrieben und tröstete mich mit dem Gedanken, daß ich ja nur die Grundlage geliefert hatte. Nachdem ich den Vertrag für die Filmrechte unterschrieben hatte, bestellten wir das Aufgebot. Das war vor sechs Jahren. Gleich nach der Geburt brachte die Frau das Kind in einen kleinen, fensterlosen Raum und legte es dort auf den Boden, immerhin auf eine weiche Unterlage. In der folgenden Zeit kam sie regelmäßig. Immer trug sie ein unruhiges Licht in der Hand, beugte sich über das Kind, gab ihm Nahrung und säuberte es. Ihr Gesicht blieb dabei im Schatten, und sie sprach nicht, wirkte immer gehetzt, als sei es verboten, ein
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