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Das Geheimnis der Mondsänger

Das Geheimnis der Mondsänger

Titel: Das Geheimnis der Mondsänger
Autoren: Andre Norton
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Schultern und glanzlosen Augen auf einem Hocker. Ich hatte den Impuls, zu ihr zu gehen und die reglosen Hände zu streicheln. Jetzt war sie mir keine Fremde mehr.
    Orkamor sah mich an und forschte tief in meinen Gedanken. Es war, als suchte er nach irgendeinem Fehler. Dann lächelte er und hob die Hand.
    »Es ist vollbracht – und gut vollbracht.«
    Maelen hob den Kopf und drehte sich langsam zu mir um. Ich sah Verwunderung in ihren Augen.
    Sie wandte sich Orkamor zu. »Ist es gut vollbracht, Ältester Bruder?«
    »Wenn du meinst, ob der Austausch geglückt ist, Schwester – ja. Wenn du wissen willst, ob er zu weiteren Verstrickungen führen wird, dann kann ich dir nicht mit Ja oder Nein antworten.«
    »Ich muß die Antwort geben«, flüsterte sie. »Was geschehen ist, ist geschehen, und was noch geschehen muß …« Sie sah den Priester an. »Mit deiner Erlaubnis, Ältester Bruder, reiten wir fort und führen alles zu einem Ende.«
    Sie hatte immer noch nicht zu mir gesprochen, und nun wandte sie auch den Kopf ab, als wollte sie mich nicht sehen. Ich kam mir vor wie einer, der seine Hand zum Gruß ausstreckt und ignoriert wird.
    Wir gingen hinein, und man setzte uns etwas zu essen vor. Ich merkte, daß ich vollkommen ausgehungert war. Auch Maelen schlang das Essen in sich hinein.
    Es war gegen Mittag, als wir wieder in den Tempelhof kamen. Der Wagen war verschwunden, doch zwei Reitkasi warteten auf uns. Sie waren gesattelt und mit Vorratstaschen versehen. Ich wollte Maelen helfen, aber sie hatte sich in den Sattel geschwungen, bevor ich bei ihr war.
    Wir ritten durch das verwüstete Tal. Schwarze Ruinen ragten auf. Aber Maelen sah sich nicht um, sondern ritt verbissen auf den Weg nach Yim-Sin hinaus. Es war klar, daß sie ihren Plan nun so schnell wie möglich erfüllen wollte. Sie blickte mich während des Rittes zum Paß nicht an und tauschte auch keine Gedanken mit mir aus.
    Da wir mit den Reittieren viel schneller vorankamen als mit dem Wagen, hatten wir vor Sonnenuntergang ein gutes Stück Weg zurückgelegt. Am nächsten Morgen würden wir die Ruinen von Yim-Sin wieder vor uns sehen. Dann hinaus auf die Ebene von Yrjar …
    Aber was erwartete uns dort? Da ich ein wenig für die Zukunft planen mußte, wandte ich mich doch an meine Begleiterin.
    »Was wußte der Diener Umphras von den Geschehnissen in der Ebene?«
    Ihre Gedanken waren wohl so weit weg, daß es ein paar Sekunden dauerte, bis sie meine Frage erfaßt hatte.
    »Diejenigen, die aus dem Westen kamen, stammen von einer fremden Welt«, erklärte sie. »Ein neuer Feind ist auf Yiktor aufgetaucht, grausamer als alle Edelleute.«
    »Aber die Handelsschiffer …«
    »Es waren keine Leute wie die Männer der Lydis. Die Neuankömmlinge wollen hier festen Fuß fassen und ein Königreich gründen. Einige der Adeligen haben sie bereits unterdrückt, da sie schon seit geraumer Zeit unauffällig Zwietracht im Volk säen. Andere haben sie für sich gewonnen, indem sie ihnen große Reichtümer versprachen. Die Kriegswogen schlagen hoch. Ich weiß nicht, was wir in Yrjar vorfinden werden. Ich weiß nicht einmal, ob wir die Stadt erreichen können. Wir müssen es versuchen.«
    Ihre Worte verrieten mir nicht viel, doch sie waren alles andere als verheißungsvoll. Eines schien jedenfalls festzustehen – die Sache schwelte schon seit einiger Zeit. Es war gefährlich, sich nach Yrjar zu begeben. Aber der Hafen lag im Außenbezirk, und ich hoffte, daß er leichter als die Stadt selbst zu erreichen war.
    Und während ich diese Gedankengänge verfolgte, kam der Ruf. Er war klar und kraftvoll wie ein Fanfarenstoß. Und er erreichte nicht meine Ohren, sondern mein Inneres.
    Einen Moment lang war alles still, und dann wiederholte sich der Ruf. Wir mußten ihm folgen. Ich hörte einen leisen Protestschrei von Maelen –
    Doch wir wendeten unsere Reittiere und bahnten uns einen Weg durch die Wildnis. Wir ritten auf die nördlichen Berge zu, dem Ruf der Thassa gehorchend.

 
18
     
    Was ich bisher von Yiktor gesehen hatte, war wie auf jeder fremden Welt gewesen – Ebenen und Bergland, dazu Vegetation je nach Bodenbeschaffenheit und Lage. Die Stadt Yrjar, die Festung Osokuns, der Tempel von Umphra – sie alle hatten ihre Gegenstücke auf anderen Planeten.
    Das Land jedoch, das wir jetzt durchquerten, war völlig anders. Wir folgten dem Ruf nach Norden, höher und höher ins Bergland hinein. Die Hänge hier bestanden aus nacktem Fels, nur manchmal unterbrochen von vergilbten
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